Asien demonstriert neues Selbstbewusstsein

Erstmals tagt ein Ostasien-Gipfel, mit dem sich in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur die Regierungen der16 Teilnehmerstaaten der Region von den USA und Europa abgrenzen. Doch Einigkeit ist keine Stärke der Asiaten

BANGKOK taz ■ Beim heute beginnenden ersten Ostasien-Gipfel nehmen außer den zehn Ländern der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean auch noch China, Japan, Südkorea, Indien, Australien und Neuseeland teil. Beobachter werten den Gipfel als ersten Schritt zu einem neuen Selbstverständnis der Region, sich von den USA und der EU abzugrenzen.

Gleichzeitig gilt der Gipfel als Gelegenheit für die anwesenden Regierungschefs, in informellen Gesprächen politischen Streit auszuräumen und Handels- und Sicherheitsfragen zu diskutieren. Das Treffen sei insofern signifikant, da es den Grundstein für eine neue regionale Institution zu legen versucht, meint der Chef des Instituts für Verteidigungs- und strategische Studien in Singapur, Barry Desker.

Dass die USA, die mit fast allen vertretenen Ländern Handels- und Sicherheitsbeziehungen pflegen, ausdrücklich nicht geladen sind, markiere ebenfalls die „Schwelle einer neuen Ära“.

Dabei hängt der Erfolg einer neuen ostasiatischen Kooperative in erster Linie von der Kompromissbereitschaft der einzelnen Länder ab. Doch Rivalitäten waren schon im Vorfeld spürbar. Als sich Malaysias Premierminister Abdullah Ahmad Badawi auf dem letzten Asean-Gipfel in Laos als Gastgeber anbot, beeilte sich Chinas Premier Wen Jiabao zu versichern, dass seine Regierung das zweite Treffen ausrichten werde. Das jedoch dürfte dem südostasiatischen Staatenbund nicht gefallen. Denn Asean fürchtet an Gewicht zu verlieren, wenn sich der Reihe nach auch noch die anderen ostasiatischen Wirtschaftsmächte Japan oder Südkorea als Gastgeber auf Kosten der wirtschaftlich schwächeren Südostasiaten als Gastgeber profilieren könnten.

Auch sonst ist von Einigkeit wenig zu spüren. Zwischen den ostasiatischen Nachbarn kriselt es gewaltig: Die Beziehungen Japans zu China und Südkorea haben sich vor allem seit den wiederholten umstrittenen Besuchen des japanischen Premiers Junichiro Koizumi am Yasukuni-Schrein dramatisch verschlechtert, denn dort wird auch verurteilten Kriegsverbrechern gehuldigt. So kommt es nicht von ungefähr, dass Asean die Teilnahme Australiens, Neuseelands, aber vor allem Indiens als Chinas mittlerweile wichtigstem Wirtschaftskonkurrenten in der Region als Ausgleich betrachtet.

Es kann Jahrzehnte dauern, bis sich der Ostasien-Gipfel als wirkungsvolles Forum etabliert. Selbst die zehn Asean-Mitglieder haben immer noch massive Probleme, sich bei ihren Treffen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Und bei den Verhandlungen zu einer asiatischen Freihandelszone in Kambodscha 2002 war unter den südostasiatischen Staaten noch umstritten, ob sie so mächtige Nachbarn wie China, Japan und Südkorea überhaupt ins Boot holen sollten.

Trotzdem kann eine Etablierung des Ostasien-Gipfels langfristig von Nutzen sein: Er könnte sich als asiatische Alternative zum festgefahrenen pazifischen Wirtschaftsforum Apec erweisen. Das hat in den vergangenen Jahren an Glaubwürdigkeit verloren, weil es keine Fortschritte bei der Handelsliberalisierung in der Region erreichen konnte.

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