Gerhard Schröder steuerflüchtig

Die Pipelinefirma, für die der Exkanzler den Aufsichtsrat führen soll, residiert nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Sie zahlt dort nur 0,012 Prozent an Steuern

BERLIN taz ■ Das Besondere am deutsch-russischen Pipelineprojekt ist, dass es kein anderes Land berührt. Heißt es. Nun stellt sich heraus, dass das nicht richtig ist. Es verläuft nämlich in Wirklichkeit auch über die Schweiz. Nicht das Gas selbst – das strömt tatsächlich durch die Ostsee direkt nach Deutschland. Wohl aber das Geld, das man damit zu verdienen gedenkt. Das fließt nämlich über den Schweizer Kanton Zug, wo das Konsortium Nordeuropäische Gaspipeline (NEGP) seinen Hauptsitz hat, wie das Fernsehmagazin „Report“ berichtete.

Nun könnte man vermuten, dass sich die beteiligten russischen und deutschen Unternehmen Gazprom, BASF und Eon auf ein neutrales Territorium für ihren gemeinsamen Firmensitz einigen wollten. Doch neutral wäre auch etwa Wien oder Zürich. Zug dagegen ist ein Kaff, dessen Hauptattraktion die hübsche Lage am Zugersee ist, wie auch schon viele Deutsche vor Exkanzler Gerhard Schröder herausgefunden haben, darunter Boris Becker und der ehemalige Devisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski. Die Anziehungskraft von Zug liegt eher in den mikrobisch kleinen Steuern begründet, die der Kanton erhebt.

Der Finanzplatz Zürich hat sich in Zug eine Steueroase direkt vor der Tür geschaffen. Die gerade einmal acht Gemeinden des Kantons belegen stets die Spitzenplätze der Schweizer Millionärsliste. Mehrere tausend Firmen sind laut Handelsregister in dem Ort ansässig – dank extrem geringer Steuern. Maximal 16 Prozent ihres Gewinns müssen Unternehmen ans Finanzamt abführen, statt 38 Prozent inklusive Gewerbesteuer wie in Deutschland. Ausländische Holdings allerdings, die in der Schweiz keiner nennenswerten Geschäftstätigkeit nachgehen, müssen ihren Beteiligungsgewinn im Kanton praktisch überhaupt nicht versteuern. Sie würden im Falle der Pipelinegesellschaft eine Ministeuer von 0,012 Prozent auf Firmenkapital entrichten. So teilte die Eidgenössische Steuerverwaltung der taz auf Anfrage mit. Selbst die 8,5-prozentige Gewinnsteuer, die für die Schweizer Bundesregierung fällig wäre, kann „um bis zu 100 Prozent reduziert“ werden, hieß es.

Vor der neuen Pipelinegesellschaft hat der Kanton Zug schon andere Rohstoffhändler angezogen. „Eine Zeit lang war Zug, obwohl es bekanntlich weit ab von allen Ölquellen liegt, der drittgrößte Ölhandelsplatz der Welt“, erzählt Andreas Missbach von der Erklärung von Bern, einer Schweizer entwicklungspolitischen Organisation. Wie die NEGP brauchen diese Firmen meist nicht mehr als einen Briefkasten vor Ort. NICOLA LIEBERT