Tropfen auf den heißen Stein

HONORARE Freiberufliche Hebammen fühlen sich von den gesetzlichen Krankenkassen nicht angemessen bezahlt. Auch die letzte Vergütungs-steigerung ändert nichts an ihrem geringen Einkommen

■ Seit zehn Jahren steigt in Berlin die Nachfrage nach von Hebammen angebotenen Leistungen. Im Jahr 2011 arbeiteten 579 Hebammen freiberuflich in der Stadt, dazu kamen 191 mit Angestelltenstatus, die nebenbei freiberuflich tätig waren. Sie betreuten durchschnittlich 49 Frauen, 2001 sind es nur 42 gewesen. Es gebe viel mehr Anfragen als bedient werden könnten, heißt es dazu vom Berliner Hebammenverband. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung sieht indes in steigenden Hebammenzahlen bei bundesweiter Geburtenstagnation einen Grund für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Geburtshelferinnen – zumal ein großer Teil nur in Teilzeit arbeite.

VON MANDY KUNSTMANN

Nüchtern fällt die Antwort von Angela Berkheim-Kotzurek aus, fragt man sie nach ihrem Verdienst. „Man kommt eben so über die Runden“, sagt die 57-jährige Hebamme. Große Sprünge könne sie von ihrem Einkommen nicht machen. „Glücksgefühl“ prangt in großen Lettern draußen an ihrer Hebammenpraxis in Friedrichshain. Gemeinsam mit einer Kollegin hat sie den Laden vor Kurzem eröffnet. Beim Gedanken an ihre Bezahlung kommt der Alleinstehenden allerdings jedwedes Gefühl von Glück abhanden.

„7,48 Euro netto pro Stunde verdiente eine freiberufliche Hebamme im vergangenen Jahr im Schnitt“, so Berkheim-Kotzurek. Das habe der Deutsche Hebammenverband (DHV) in einer Studie errechnet. „Davon kann man doch nicht vernünftig leben.“ Von 9 bis 21 Uhr stehe sie jeden Tag auf Abruf bereit, und das sieben Tage in der Woche. Der Verdienst stehe in keinerlei Verhältnis zu der Verantwortung.

Etwas mehr bekommen Hebammen von den Krankenkassen seit dem 1. Januar 2013. Zwischen 12 und 15 Prozent Aufschlag zahlen die gesetzlichen Krankenkassen seither für Leistungen der Hebammen. Das macht etwa 8,48 Euro in der Stunde. Am Problem der schlechten Bezahlung hat sich aus Sicht der Hebammen dadurch nichts geändert. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, kommentiert Katharina Jeschke, Autorin der Studie und Beirätin beim DHV. Mindestens 30 Prozent Vergütungssteigerung hatten die Hebammen gefordert.

Rund 18.000 Hebammen sind hierzulande freiberuflich tätig. Ihre Leistungen wie etwa Vorsorgeuntersuchungen, Blutabnahmen oder Beratungsgespräche rechnen sie direkt mit den Krankenkassen ab – und zwar nach feststehenden Pauschalen. Deren Höhe handeln die Berufsverbände der Hebammen und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in regelmäßigen Abständen neu aus. Zuletzt kam die besagte Vergütungssteigerung von 12 bis 15 Prozent pro Leistungsposten heraus. Die Einigung musste allerdings eine Schiedsstelle erwirken.

Nach Ansicht der Krankenkassen ist der Verdienst der Hebammen bei Weitem nicht so gering wie von den Berufsvertreterinnen angegeben. Den Stundenlohn der Hebammen müsse man realistisch betrachten, meint Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „8,43 Euro erhält eine Hebamme bereits für 15 Minuten Einzelunterweisung zur Geburtsvorbereitung, 16,85 Euro für jede angefangene halbe Stunde für die Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden und für einen Wochenbettbesuch von bis zu 45 Minuten erhält sie 31,28 Euro“, erläutert Lanz. Für eine tagsüber stattfindende Hausgeburt seien es 694,58 Euro plus Materialpauschale.

Ausreichend finden Hebammen die Honorierung ihrer Leistungen dennoch nicht. „Häufig nimmt ein Hausbesuch mehr als eine Dreiviertelstunde in Anspruch“, hält zum Beispiel Angela Berkheim-Kotzurek dagegen. Gerade bei Hausbesuchen müsse man sich Zeit nehmen, Mütter hätten oft viele Fragen.

Ein großes Problem sehen die Hebammen auch in den Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung. Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, werden hier ordentlich zur Kasse gebeten. In den vergangenen Jahren sind die Prämien zudem in die Höhe geschossen. Belief sich die Jahresprämie 2003 im Schnitt noch auf rund 1.353 Euro, waren es 2010 schon 3.689 Euro. 2012 stieg der Betrag im Durchschnitt weiter auf 4.243 Euro. Zahlreiche Entbindungshelferinnen, so argumentieren die Hebammenverbände, hätten deshalb die Geburtshilfe aus ihrem Angebotskatalog gestrichen. Auch Angela Berkheim-Kotzurek, die Friedrichshainer Hebamme, bietet aus diesem Grund keine Geburtshilfe mehr an und konzentriert sich auf die Vor- und Nachsorge. 4.600 Euro müsste sie sonst für eine Berufshaftpflichtversicherung im Jahr zahlen. „Das kann sich doch niemand leisten“, ärgert sie sich.

7,48 Euro netto pro Stunde verdiente eine freiberufliche Hebamme im vergangenen Jahr im Schnitt. Davon kann man doch nicht vernünftig leben. Man kommt eben so über die Runden

Weil die Beitragssteigerungen in der Berufshaftpflicht zusehends zum Problem für Geburtshebammen wurden, haben sich die Krankenkassen entschlossen, die Kostensteigerung für den zuletzt im Sommer 2012 erfolgten Prämienanstieg zu übernehmen. Grund zur Freude sehen die Hebammen dennoch nicht: „Das vorletzte Mal, also 2010, als die Haftpflicht gestiegen ist, wurde die Erhöhung von den Kassen nicht ausgeglichen“, erläutert Susanna Rinne-Wolf, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands. Aufgrund der Kostensteigerung hat auch Rinne-Wolf aufgehört, Geburtshilfe zu leisten.

Die Krankenkassen stehen zumindest in der Frage der Berufshaftpflichtversicherung auf Seiten der Hebammen. „Ein großer Teil von ihnen arbeitet in Teilzeit“, erläutert die stellvertretende GKV-Sprecherin Ann Marini. Diese Hebammen müssten dieselben Prämien berappen wie Kolleginnen in Vollzeit. Hier liege etwas im Argen.

Um das Beitragsproblem zu lösen, haben die Hebammenverbände das Gespräch mit den Versicherern gesucht. Doch diese sehen keinen Spielraum für eine Senkung,der Prämien, denn die Schadensregulierung sei nicht billig. Von der Politik fordern die Hebammen nun eine grundsätzliche gesetzliche Umstrukturierung im Umgang mit der Finanzierung von Schadensfällen – und das schnell, denn 2014 stehe die nächste Runde Beitragserhöhungen der Haftpflichtversicherung vor der Tür. Ob die Bundesregierung noch vor der Bundestagswahl am 22. September eine Lösung für das Problem findet, glauben die Entbindungshelferinnen nicht. „Es ist schließlich Wahlkampf“, so DHV-Beirätin Jeschke. „Die Belange der Hebammen können da leicht untergehen.“