portrait
: Vorkämpferin für Nigerias Frauen

Sie ist Muslimin, trägt ein Kopftuch, wurde religiös erzogen und kommt aus einer bitterarmen Bauernfamilie. Hauwa Ibrahim ähnelt Millionen von Frauen im Norden Nigerias, denen mit der Einführung des islamischen Scharia-Strafrechts seit 2000 zahlreiche Rechte genommen worden sind. Aber Hauwa Ibrahim ist die einzige Rechtsanwältin in Nigerias islamischem Norden. Und sie verteidigt die Opfer: Frauen, die zum Tode verurteilt sind, die gesteinigt oder ausgepeitscht werden sollen.

Ihr berühmtester Fall wurde weltweit zum Inbegriff der Grausamkeit der Scharia-Anwendung in Nigeria: Amina Lawal, die im Jahr 2002 von einem islamischen Gericht in ihrem Dorf zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde, weil sie ein Kind geboren hatte, obwohl sie geschieden war. Während Nigerias säkulare Justiz sich für machtlos erklärte, erstritt Hauwa Ibrahim 2003 vor einem religiösen Berufungsgericht einen Freispruch.

„Aminas Dorf war größer als mein Dorf, sie war keine Straßenhändlerin, sie kennt den Koran“, sagte Hauwa Ibrahim später über den Fall. „Sie war eine gute Klientin und ist eine gute Freundin. Wir reden immer über Gott, wie allmächtig er ist, wie er uns schützen wird.“

Hauwa Ibrahims Geburtsdorf Gombe zählt 2.000 Einwohner, ihre Mutter wurde im Alter von 12 Jahren weggeheiratet. Ihren eigenen Kindern wollte sie dieses Schicksal ersparen, aber dies ging nur, wenn sie zur Schule gingen. Da der Vater das nicht einsah und die Mutter kein Geld hatte, musste Hauwa als kleines Kind ihre Schulgebühren selber verdienen. „Ich ging in die Berge und sammelte Wurzeln, um sie auf der Straße zu verkaufen“, erinnerte sie sich später. Das Geld hätte sie eigentlich als Brautgeld in ihre spätere Ehe einbringen müssen. „Aber ich wollte unbedingt zur Schule gehen.“

Inzwischen 35 Jahre alt, erlebt Hauwa Ibrahim die Scharia-Rechtsprechung Nigerias in all ihrer Brutalität. 47 Fälle hat sie in den ersten fünf Jahren ihrer 1999 begonnenen Karriere betreut, darunter elf Amputationsverurteilte und vier zum Tode verurteilte Frauen. Eine ihrer Klientinnen war zu 100 Peitschenhieben verurteilt worden, weil sie vergewaltigt worden war. Als der angebliche Vergewaltiger sagte, er sei es nicht gewesen, bekam sie noch einmal 80 Hiebe wegen Lüge.

„Es geht um Menschenleben, und ich riskiere auch meines. Fast alle diese Frauen kommen aus einem sehr armen Hintergrund, so wie ich. Ich gebe zurück, was ich als Ausbildung bekommen habe“, sagt Hauwa Ibrahim und warnt: „Sobald die erste Frau zu Tode gesteinigt worden ist, wird es nie aufhören.“ Dass das noch nicht geschehen ist, hat Nigeria ihr zu verdanken. DOMINIC JOHNSON