Gefahr für Hasen: Gift wieder erlaubt

LANDWIRTSCHAFT Per Notfallgenehmigung lässt die zuständige Behörde ein Herbizid zu, das frei lebende Säuger gefährdet

„Es steht keine praktikable Alternative zur Verfügung“

ANDREAS TIEF, BVL

VON JOST MAURIN

BERLIN taz | Der Osterhase soll auch dieses Jahr wieder die Eier bringen. Doch wenige Tage zuvor hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ein für Hasen gefährliches Pestizid erlaubt: Wie in den Vorjahren dürfen Landwirte mit dem eigentlich in Deutschland verbotenen Mittel Afalon 450 SC vier Monate lang Feldsalate gegen bestimmte Unkräuter schützen. „Es steht keine praktikable Alternative zur Verfügung“, sagte Behördensprecher Andreas Tief der taz.

Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung, weil das BVL über sogenannte Notfallgenehmigungen immer wieder eigentlich verbotene Pestizide auf den Markt lässt oder bestehende Zulassungen erweitert. Im vergangenen Jahr zum Beispiel hat es 36 solcher Erlaubnisse erteilt. Darunter sind Mittel, die aus gutem Grund keine Dauerzulassung haben: zum Beispiel ein Insektenvernichter mit dem Wirkstoff Clothianidin, den die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit als akute Gefahr für Honigbienen eingestuft hat.

Auch Linuron, der Wirkstoff des nun vorübergehend erlaubten Unkrautvernichtungsmittels Afalon, ist gefährlich – etwa für Hasen. Das Umweltbundesamt lehnt eine Dauerzulassung ab, weil sie „zu unvertretbaren Auswirkungen auf frei lebende Säuger, zum Beispiel Hasen, führen würde“, wie der zuständige Fachgebietsleiter Jörn Wogram mitteilt. Das Mittel könne die Fortpflanzung der Tiere schädigen, Linuron wirke wie ein Hormon.

Dabei steht der Feldhase in Deutschland seit 1994 auf der Liste der gefährdeten Arten. Die Tiere haben laut Bundesamt für Naturschutz weniger fruchtbare Spermien als früher. Die Eierstöcke der Häsinnen seien verändert. „Fehlgeburten, das Absterben von Embryonen und kaum überlebensfähige Frühgeburten sind die Folge.“ Auch für Menschen ist Linuron nicht ohne. Die EU-Behörden haben die Chemikalie unter anderem mit folgenden Warnhinweisen versehen: „Kann vermutlich Krebs erzeugen“ und „Kann das Kind im Mutterleib schädigen“.

Wegen der Gefahren verlangten die Behörden immer neue Unbedenklichkeitsnachweise vom Afalon-Hersteller Feinchemie Schwebda. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben vor etwa acht Jahren beantragt, die deutsche Zulassung dauerhaft zu verlängern. „Aufgrund der erhöhten Nachforderungen und den damit verbundenen Kosten macht es aus wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn, diesen Antrag in Deutschland weiter zu verfolgen“, sagt Registrierungsleiter Wolfgang Busch. Carina Weber vom Pestizid Aktions-Netzwerk kritisiert, dass das BVL „selbst solche Pestizide über die Notfallhintertür genehmigt, die hoch gefährliche Wirkstoffe enthalten“.

„Bei jeder Notfallzulassung wird eingeschätzt, ob es wirklich keine Alternative gibt und wie groß die Gefahr wirklich ist“, entgegnet BVL-Sprecher Tief. Um das Risiko zu senken, hat die Behörde Afalon in den vergangenen Jahren immer nur für einige wenige Pflanzen erlaubt. Doch nicht alle Bauern halten sich an diese Vorschriften. So haben die Lebensmittelbehörden den Wirkstoff zum Beispiel 2007 mehrmals in anderem Obst und Gemüse gefunden.

Dass es auch ohne Linuron geht, beweisen Biobauern. Sie dürfen laut EU-Ökoverordnung keine chemisch-synthetischen Pestizide wie Afalon benutzen. Allerdings müssen sie dafür mehr Arbeit investieren: Sie entfernen Unkraut etwa durch Jäten oder mit der Hacke. Zudem ist ihr Ertrag meist geringer. Dafür überleben mehr Feldhasen.