Komm, wir finden eine Stadt

Im Low-Budget-Film „Stadt des Lichts“ von Mario Mentrup und Volker Sattel irren Desperados durchs öde Brandenburg – auf der Suche nach einer mythischen Metropole

Wie schön, dass es solche Filme gibt: jenseits der Blutkreisläufe der Filmförderung entstehend, ausschließlich sich selbst verantwortlich und den paar Freunden, die ihre Zeit und ihre Körper unentgeltlich zur Verfügung stellen. Neben Carl Andersen, Lothar Lambert und Edwin Brienen gehören nun auch Mario Mentrup und Volker Sattel zu den Verfechtern solcher Projekte in Berlin. Ihr neuer Film „Stadt des Lichts“ wurde im letzten Winter in der Umgebung der Hauptstadt gedreht, dort, wo der grimmige russische Wind ungehindert vom Ural her einzufallen scheint.

Durch diese flache, froststarre Szenerie schlägt sich ein gemischtgeschlechtlicher Trupp, auf dem Weg in die mythische, titelgebende Metropole. Wir schreiben das Jahr 2008, nach einem gescheiterten milliardenschweren Bauprojekt ist die Region endgültig zur Wüstenei abgesunken, Seuchen haben die Bevölkerung dezimiert, unter den wenigen Überlebenden herrscht Anarchie. Ostland, heißt es im aus dem Off verlesenen Text, ist Männerland und Frauen sind hier Mangelware. Deshalb stellt die Verschleppung der raren Frauen eine der wenigen noch verbliebenen Einkommensquellen dar.

Der Film begleitet eine Gruppe solcher Kidnapper und ihre Opfer durch die Einöde: fünf finster dreinblickende, wortkarge Männer und drei Frauen, noch im bunten Fummel, in dem sie vom Tresen einer spartanischen Spelunke weggefangen worden sind. Bisweilen brechen Aggressionen zwischen den Wandernden aus, dann wieder schleichen sich Stockholm-Syndrome ein, verwischen die Grenzen zwischen Entführern und Entführten. Niemand von ihnen weiß, was es mit der „Stadt aus Licht“ wirklich auf sich hat, fest steht nur, dass es dort nicht schlechter sein kann als da, wo man bislang war. Diese Perspektive schweißt zusammen – als das Ziel näher rückt, implodiert die Atmosphäre des ungleichen Notbunds dann aber doch.

Mario Mentrup (Regisseur, Produzent, Drehbuchautor, Co-Komponist, Darsteller) und Volker Sattel (Produzent, Kameramann, Cutter) jonglieren in ihrem ersten gemeinsamen Film vergnügt mit Versatzstücken von Science-Fiction und Western. Ihre sichtbar in unserer Gegenwart angesiedelte postapokalyptische Genreparodie bedient mit dieser Umcodierung von vorgefundenen Alltagsszenerien am ehesten noch die Methode, die Jean-Luc Godard in „Alphaville“ so effektiv angewandt hatte, erinnert aber auch unangestrengt und stets ironisch an Andrej Tarkowskis „Stalker“ oder Robert Altmans „Quintett“.

Bei einer Laufzeit von nur reichlich 60 Minuten schleichen sich dennoch ein paar Längen ein – vor 25 Jahren wäre ein vergleichbarer Film wohl auf Super-8 gedreht worden und hätte nur zehn Minuten gedauert. Aber vielleicht bedarf ja die Nachvollziehbarkeit einer solch quälenden Reise auch einer gewissen Quälerei des Zuschauers.

„Stadt aus Licht“ ist auch ein Familienfilm, und auch deshalb kam am Dienstag zur Premiere in der Volksbühne niemals Langeweile auf. Denn Mentrup und Sattel versicherten sich der Mitarbeit einer ganzen Reihe von Freunden und Kollegen, deren Auftritte jeweils mit Ovationen bedacht wurden.

Als durch den Film führende Scheherezade fungiert Claudia Basrawi (MaasMedia), unter den Ganoven finden sich Stephan Geene (b_books) und Rainer Knepperges (Exmitglied der „Kölner Gruppe“ und Regisseur von „Die Quereinsteigerinnen“), zu den entführen Frauen gehört Angie Reed – Peaches schließlich tritt in einer Nebenrolle auf. Das Mitwirken der Elektronik-Trash-Fraktion legte es nahe, die Premiere mit einigen Live-Acts zu krönen: Neben Angie Reed traten Candie Hank sowie Cobra Killer in Begleitung des Mandolinenorchesters Kapajkos auf.

Eine Konstellation, die den Abend ein wenig von einer Filmpremiere mit Musikeinlagen zum Konzert mit Vorfilm transformierte. Mario Mentrup selbst stimmte nach dem Film mit Angie Reed eine Ballade über eine Nonne an: Die wird wegen Unzucht exkommuniziert, trifft mit einem Koffer im Berlin der 20er Jahre ein, gerät in eine Intellektuellen-Lesben-Kommune, flieht vor Hitler über die Dolomiten in die Schweiz, langweilt sich dort schrecklich, übersiedelt in den frühen 50ern nach Paris und wird dort zu einer führenden Situationistin. Und das klang schon wieder nach einem anderen Film. CLAUS LÖSER

„Stadt des Lichts“ wurde auf mehreren Film- und Kunstfestivals eingereicht. Wo er laufen wird, erfährt man dann auf der Website, die noch im Aufbau ist.