Springers guter Rat

Konzentrationskontrolle KEK fordert von Springer einen Fernsehrat mit weitestreichenden Kompetenzen, sonst will sie die TV-Fusion ablehnen

VON HANNAH PILARCZYK
UND PEER SCHADER

Morgens in der „Blitz!“-Redaktion beim frisch mit Springer fusionierten Sat.1. Sagt ein Redakteur: „Passt mal auf, wir müssen heute was über Boris Becker machen. Bild hat ausgegraben, dass er wieder mit seiner Ex rumknutscht.“ Sagt ein anderer Redakteur: „Unmöglich! Wir haben doch jetzt diesen Fernsehbeirat. Der würde das niemals durchgehen lassen. Lass uns lieber einen gemeinwohlorientierten kritischen Beitrag zur WTO-Konferenz recherchieren.“

Unvorstellbar? Ganz genau. Dabei sind die Konsequenzen dessen, was die Medienwächter von der Konzentrationskontrolle KEK jetzt vorgeschlagen haben, um Axel Springer doch noch die Fusion mit ProSiebenSat.1 zu ermöglichen, gar nicht so weit davon entfernt. Nach einer zweiten Anhörung Springers entschied die KEK am Dienstagabend: Der vom Verlag vorgeschlagene senderübergreifende Programmbeirat (siehe taz vom 13. 12.) reiche nicht, um die Bedenken auszuräumen, dass der fusionierte Großkonzern über eine unkontrollierbare Meinungsmacht verfügen würde.

Damit die Hochzeit zwischen Sendergruppe und Verlag doch noch durchgewunken werden kann, will die KEK Springer einen Fernsehbeirat aufdrücken. Dieser soll bei einem Vollprogramm der Gruppe – das heißt entweder ProSieben oder Sat.1 – „die alleinige Programmverantwortung und -kontrolle“ beziehungsweise „Kontroll- und Aufsichtsrechte“ besitzen. In dem Beirat sollten „Repräsentanten aller gesellschaftlich relevanten Gruppen und Organisationen“ vertreten sein.

Was genau das bedeutet, will man bei der KEK in Potsdam derzeit mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht erläutern. Fest steht bloß: So etwas hat es im deutschen Privatfernsehen noch nicht gegeben – ein Gremium, das ausgerechnet im privatwirtschaftlich finanzierten, auf Gewinn ausgerichteten Fernsehen „losgelöst von Marktinteressen“ Einfluss aufs Programm nimmt. Bei Springer scheint man dem dennoch nicht völlig abgeneigt. Verlagssprecherin Edda Fels sagte: „Wir halten diesen Vorschlag als qualitäts- und vielfaltsichernde Maßnahme grundsätzlich für vorstellbar.“ Allerdings betonte sie auch, dass Springer die wirtschaftliche Kontrolle „grundsätzlich nicht aus der Hand geben“ würde. Das Modell erinnert stark an die Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Sender, deren Gremien oftmals jedoch weit davon entfernt sind, sich konkret in programmliche Entscheidungen einzumischen.

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen Grietje Bettin nannte die KEK-Konditionen „in jedem Fall weitgehender und besser als den Springer-Vorschlag“. Martin Stadelmaier, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, bei der die Rundfunkkommission der Länder angesiedelt ist, wertete die KEK-Bedingungen gegenüber der taz als „sehr diskussionswürdigen Vorschlag“: „Mit diesen Auflagen ist Springer nicht überfordert. Dem Unternehmen wird nur einiges abgefordert.“ Allerdings stellte Stadelmaier auch zur Diskussion, ob Springer mit der Einrichtung eines Fernsehrats auch die Bedenken des Bundeskartellamts gegen die Übernahme ausräumen könnte.

Das Kartellamt hatte unter anderem die Dominanz des neu entstehenden Medienkonzerns im Lesermarkt für Kaufzeitungen sowie auf dem Anzeigenmarkt für bundesweit erscheinende Tageszeitungen kritisiert. Ein Fernsehrat würde nach dem jetzigen Erkenntnisstand aber nichts an der Vorherrschaft Springers in diesen Märkten ändern – und die Kartellhüter wohl bei ihrem Veto bleiben.

Seitens der KEK heißt es, man rechne mit einer Entscheidung Springers vor Jahresende. Sollte es eine generelle Bereitschaft geben, dem vorgeschlagenen Modell zuzustimmen, werde man mit der Verlagsführung Einzelheiten besprechen. Die nächste Sitzung der Kommission ist für den 10. Januar geplant. Bis dahin können die Kollegen bei „Blitz!“ erst einmal ruhigen Gewissens weiter auf Boris Becker setzen.