NICOLA LIEBERT ÜBER DEN EURO-VERKAUF DER SCHWELLENLÄNDER
: Mit Gewinn aus der Krise

Langsam wird klar, dass eine fehlkonstruierte Gemeinschaftswährung keine Sicherheit bietet

Die Eurokrise? Ach was, alles im Griff, gab Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain vor einigen Wochen zu Protokoll. Finanzminister Wolfgang Schäuble lobt die sinkende Neuverschuldung und die gewachsene Wettbewerbsfähigkeit. Der Chef des Europäischen Rettungsschirms weist auf die Sparerfolge und Reformfortschritte der Krisenländer hin.

In den europäischen Krisenländern, wo die Verarmung nicht mehr zu übersehen ist, wird diese Auffassung nicht geteilt. Den Brüsseler Krisenmanagern war das bislang egal. Es sei eben ein schmerzhafter, aber notwendiger Prozess, um das „Vertrauen der Märkte“ zurückzugewinnen. Zumindest ein Teil dieser Märkte scheint, wie jetzt bekannt wurde, der Einschätzung der Menschen in den Krisenländern zuzuneigen. Die Entwicklungsländer jedenfalls haben bereits massenhaft Euro abgestoßen.

Als der Euro eingeführt wurde, war damit die Hoffnung verbunden, dem US-Dollar als der bis dahin wichtigsten Weltwährung Paroli bieten zu können. Viele Länder im Süden waren dankbar, ihre Währungsreserven nun nicht mehr hauptsächlich in Dollar halten zu müssen. Aber langsam wird ihnen klar, dass eine offenkundig fehlkonstruierte europäische Gemeinschaftswährung keine Sicherheit bietet. Zunehmend legen sie ihr Geld statt in Dollar und Euro in Währungen von Schwellenländern an. Brasilien und China haben gerade vereinbart, sich im Notfall lieber untereinander in ihren eigenen Währungen Beistand zu leisten.

Die bisherige Krisenbewältigungsstrategie der EU, die vor allem zu ökonomischer, sozialer und politischer Instabilität geführt hat, wird nachhaltige Folgen haben. Am Ende wird eine Welt stehen, in der der Süden vom Norden ein gutes Stück unabhängiger sein wird. Und damit hätte die Krise vielleicht sogar auch etwas Gutes.

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