Klimawandel in Berlin

GRÜNE THEMEN Aussteller auf der Internationalen Grünen Woche setzen sich vermehrt mit aktuellen Themen wie Klimawandel und nachwachsenden Rohstoffen auseinander

Wetterextreme müssen mit wachsender Nachfrage und Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden

VON DENNY CARL

Als 1926 die „Ausstellung für den Bedarf der Landwirtschaft und verwandter Berufe“ öffnete, teilten sich örtliche Kleingärtner und Kleintierzüchter die 7.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. In der diesjährigen 75. Auflage der Grünen Woche sind die Berliner Kleingärtner zwar immer noch präsent, doch wollen inzwischen auch ausländische Spezialitäten verkostet werden. Die Grüne Woche globalisierte in den 84 Jahren ihrer Existenz zu einer internationalen Verbrauchermesse mit Weltruf. Doch bietet sie neben Kosthäppchen und Bauernhofidylle auch Raum für die Probleme dieser Welt?

Für die Folgen der Wirtschaftskrise kann diese Frage mit einem Nein beantwortet werden. „Wir haben wie im Vorjahr 115.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche – eine größere Grüne Woche gab es nie!“, stellt Wolfgang Rogall von der Messe Berlin fest. Der jüngst veröffentlichte „Situationsbericht 2010“ des Deutschen Bauernverbandes lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob dieser Erfolg nächstes Jahr wiederholt werden kann. DBV-Präsident Gerd Sonnleitner bezeichnet die Lage deutscher Bauern als desaströs. Die Prognosen für 2010 kündigen keine Besserung an. Daher will der Lobbyverband auf der Grünen Woche die immense Wichtigkeit der Landwirtschaft unterstreichen.

Schauplatz dieses Anliegens ist der 6.000 Quadratmeter große Publikumsliebling ErlebnisBauernhof. Verbraucher können dort den Weg eines Nahrungsmittels vom Bauern bis zum Teller miterleben. Doch es gibt nicht nur Idylle. „Wir sehen ein wachsendes Interesse der Verbraucher, sich mit Landwirtschaft auseinanderzusetzen“, so Simon Michel-Berger von der mitveranstaltenden Fördergemeinschaft für nachhaltige Landwirtschaft und ergänzt: „Auch beim Thema Klimawandel.“

Der ErlebnisBauernhof stellt den Klimawandel als eine Herausforderung für die Landwirtschaft mit sich rasant ändernden Rahmenbedingungen dar. Wetterextreme und neue Schadorganismen müssen mit wachsender Nachfrage, Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden. Zu den vorgestellten Lösungen zählen die Züchtung von Nutzpflanzen mit einer höheren Widerstandsfähigkeit, bessere Pflanzenschutzmittel, aber auch kleine Ansätze wie regenwurmfreundlichere Böden. Beim Schutz des Klimas will man mit einer besseren Nutzung von Biomasse als Energieträger sowie der Züchtung von Kühen, die sich in Sachen Methan-Ausstoß etwas mehr zurückhalten, aktiv werden.

Das Global Forum for Food and Agriculture thematisiert die Herausforderungen der Landwirtschaft parallel zur Grünen Woche auf höherer Ebene. „Landwirtschaft und Klimawandel – neue Konzepte von Politik und Wirtschaft“ lautet die Symposiumsreihe, zu der Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner (CSU) und Amtskollegen aus aller Welt zum Weltagrargipfel bitten. Die Konferenz sieht sich als Fortsetzung des Kopenhagener Klimagipfels. Die Themen sind Emissionsverringerung, ökologischer Landbau, die Verklappung von CO2 auf landwirtschaftlichen Brachen und erneuerbare Energien.

Um erneuerbare Energien und deren nachhaltige Erzeugung und Nutzung geht es bei der nature.tec, dank vieler Experimente und Exponate aber wesentlich praxisnäher. Die Fachschau für nachwachsende Rohstoffe zeigt auf 6.000 Quadratmetern, wie umweltfreundlich, effizient und vielseitig Biogas, Biokraftstoffe und Holz schon heute genutzt werden können. Neben anderen nachwachsenden Rohstoffen wird das „Multitalent Holz“ auch als idealer Baustoff empfohlen. Die sowohl für Fachbesucher als auch für zufällig vorbeischauende Häppchenjäger konzipierte Ausstellung will zeigen, dass die Natur vom Bodenbelag bis zum Dach alles liefern kann. Die Stände der nature.tec selbst sind komplett aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt.

Wesentlich diskreter geht es auf der Grünen Woche um die gleichfarbige Gentechnik. Die Befürworter sind mit dem Industrieverband Agrar und dem Bundesverband der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) auf der Messe zwar vertreten, doch Lobeshymnen auf das DNA-Roulette gibt es von ihnen nicht zu hören. „Wir wollen uns im Rahmen unseres Messeauftritts auf bestimmte Themen konzentrieren“, begründet dies Sabine Eichner Lisboa, Geschäftsführerin des BVE.

Problemlos wahrnehmbar sind hingegen die Gegner der Agrar-Gentechnik. Sie präsentieren einen 3.000 Quadratmeter großen Gegenentwurf, den BioMarkt, der sich ebenfalls unbeeindruckt von der Wirtschaftskrise zeigt. Erstmals dabei ist in diesem Jahr das Forum Fairer Handel. Hier möchte man Verbrauchern zeigen, wie vielfältig fair gehandelte Produkte sind, dass fairer Handel helfen kann, Armut in den Erzeugerländern zu beseitigen und Umweltstandards weltweit durchzusetzen.

Die Grüne Woche 2010 präsentiert sich längst nicht nur als Schlemmerparadies mit angeschlossenem Streichelzoo. An vielen Stellen bemüht man sich, aktuelle Probleme aufzuarbeiten und Lösungsansätze zu präsentieren. Auffällig ist die große Dialogbereitschaft vieler Aussteller in vielen Podiumsdiskussionen zu aktuellen Problemen der Landwirtschaft. Daraus entstehende Entwicklungen können vielleicht schon auf der 76. Grünen Woche besichtigt werden.