LESERINNENBRIEFE
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Noch mehr Feiern

■ betr.: „Eiertanz um den Karfreitag“, taz vom 28. 3. 13

Ja, wir sind ein Einwanderungsland von Menschen aus anderen Traditionen und Religionen, ja, es gibt noch eine Menge einführungswürdiger Feiertage, ja, man kann „traditionellem“ Vorgehen auch Bevormundung unterstellen, besonders bei gesetzlicher Stütze (eine alte Tradition), und, ja, die taz pflegt ihre „angeborene“ Antipathie gegen alles christkirchliche auch hier.

Doch die Argumentation, dem Feiern als solchem, an noch mehr Tagen im Jahr Tür und Tor öffnen zu wollen, ist hoffentlich einem 20-jährigen Praktikanten entsprungen! Gerade in Berlin, gerade hinsichtlich Zypern, Weltsozialforum und der ganzen Ego- und Bereicherungskritik als taz-Thematik, verbietet sich diese Argumentationslinie! Ich bin froh, wenn die Pubertären oder dort Hängengebliebenen mal einen Tag zum „Wieder-zu-sich-Kommen“ haben.

Die so gebeutelte Erlebniswirtschaft wird’s verkraften, ansonsten hätte sie ihr hoffentlich betriebswirtschaftlich gerechnetes Geschäftsmodell falsch aufgestellt. HENDRIK FLÖTING, Berlin

Patriarchale Besserwisserei

■ betr.: „Ostermarsch ist unmoralisch“, taz vom 28. 3. 13

Schade, dass Philipp Ruch mit der Unterstellung „Wer auf Demonstrationen geht, hat nicht wirklich vor, etwas zu ändern“ in den Konkurrenzkampf geht. Das soll politische Schönheit sein? Warum ist es so schwer, unterschiedliche Formen von Engagement wertzuschätzen? Wozu diese patriarchale Besserwisserei und Rechthaberitis, mit der er Behauptungen über andere aufstellt? Warum nicht stattdessen miteinander die verschiedenen Analysen und Schlussfolgerungen solidarisch austauschen – und dabei die eigene Fehlbarkeit mit eindenken?

Die Fragen von Gewalt, Waffen und militärischem Eingreifen sind so komplex, dass jede einfache Antwort vor allem Ignoranz ausdrückt. Nach meiner Überzeugung brauchen wir für eine gesellschaftliche Transformation hin zu einer friedlichen, gerechten und solidarischen Welt keinen patriarchalen Konkurrenzmodus des „Entweder-oder“, sondern eine Kultur der Kooperation, getragen von gegenseitigem Respekt. Damit meine ich nicht Beliebigkeit, aber breite Bündnisse zur Wahrung der Menschenrechte im Interesse der jeweils Betroffenen und Bedrohten, ohne sie zu missbrauchen für Profitinteressen, politische Karrieren oder persönliche Profilierungen. Warum nicht zum Beispiel eine Friedensdemo parallel zu einer künstlerischen Intervention? ELISABETH VOSS, Berlin

Mitgestalten ist nötig

■ betr.: „Ostermarsch ist unmoralisch“, taz vom 28. 3. 13

Herr Ruch mag ja Demonstrationen ablehnen, aber in einer Demokratie ist die Meinungsäußerung eine wichtige Grundlage der Demokratie, die sich auch in Demonstrationen ausdrückt, um mehr Gewicht zu haben. Gewaltanwendungen, ob bei Demonstrationen oder als „Einzelaktionen“, wie Herr Ruch sie empfiehlt, sind Verzweiflungstaten, so berechtigt sie auch manchmal scheinen, sind kontraproduktiv. Es reicht natürlich nicht, nur seine Meinung zu äußern, mitzugestalten ist eine zwingende Folge. Den Ostermarschierern Unmoral vorzuwerfen, ist schon ein starkes Stück, die Ostermarschierer nehmen ihr Recht wahr, gegen eine der größten Gefahren, gegen den Krieg und die Rüstung, zu demonstrieren.

Pazifist sein heißt nicht, sich alles gefallen zu lassen. Pazifist sein heißt, sich gegen Unrecht zu wehren, gewaltlosen Widerstand zu leisten, sich eventuell allein gegen Unrecht zu stellen und nicht in einer Gruppe Tod und Verderben über Menschen zu bringen, was wieder Tod und Verderben nach sich zieht. GÜNTER LÜBCKE, Hamburg

Welche Alternativen sind denkbar?

■ betr.: „Weiter Debatte über Staatsleistungen“, taz vom 28. 3. 13

Die Geldleistungen des Staates zur Finanzierung der Personalkosten und der Infrastruktur der deutschen Kirchen sollen „abgelöst“ werden. Und die Grünen wollen eine Diskussion, an der die von einem möglichen Ablösungsgesetz Betroffenen inhaltlich beteiligt werden. Mein Misstrauen ob dieser unlösbaren Aufgabe ist geweckt: Ablösung heißt: Welche Alternativen sind denkbar? Und betroffen sind im Wesentlichen alle nicht christlich orientierten Steuerzahler. Werden die auch gehört? WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Gepflegte Gleichgültigkeit

■ betr.: „Ich bin Mehrheit“, taz vom 29. 3. 13

Da ist sie wieder, die Berliner Überheblichkeit und Unfähigkeit, einfach einmal über den Tellerrand hinweg in den kläglichen Rest der Republik zu blicken. Liebe Frau Klöpper, haben Sie denn schon einmal in der Provinz, also außerhalb des hauptstädtischen Ballungsraums, Menschen zugehört und zugesehen, wie sie auf alles ihnen Fremde reagieren?

Ich denke, wir in Deutschland entfernen uns immer weiter von jener gepflegten Gleichgültigkeit, die es braucht, um vorbehaltlos miteinander umzugehen. Schon deshalb ist es schön, dass es Leute wie Herrn Thadeusz und Frau Cukrowski gibt. Denn sie scheinen zu wissen, dass gerade Antisemitismus und Rassismus immer offener zur Schau getragen werden. Und dies gerade auch von Vertretern der umfassend gebildeten Bevölkerungsschichten, zu denen schließlich die im Rahmen der Plakataktion Abgebildeten gehören.

RALF LUDWIG, Dresden