Pjöngjang will Reaktor wieder hochfahren

NORDKOREA Die seit rund sechs Jahren stillgelegte Anlage Yongbyon soll die Atomstreitmacht „in Quantität und Qualität“ stärken. Der Reaktor könnte Plutonium produzieren. Chinas Regierung äußert Bedauern

Machthaber Kim Jong Un: Atomwaffen sind Garant der Souveränität des Landes

BERLIN taz | Nordkorea eskaliert den Konflikt um sein Atomprogramm weiter. Am Dienstag verkündete die offizielle Nachrichtenagentur KCNA, der 5-Megawatt-Reaktor in der Atomanlage Yongbyon hundert Kilometer nördlich der Hauptstadt Pjöngjang werde wieder hochgefahren. Samt der dortigen Anlage zur Urananreicherung solle er „angepasst und neugestartet“ werden. Die Atomstreitmacht solle „in Quantität und Qualität“ verstärkt und die Stromknappheit behoben werden.

Experten halten Nordkoreas einzigen Reaktor, der im Rahmen der von China moderierten Sechsparteiengespräche 2007 zwischen den beiden Koreas, den USA, Japan, Russland und China stillgelegt worden war, für ungeeignet zur Elektrizitätsproduktion. Doch kann er in einem Jahr das für eine Atombombe benötigte Plutonium produzieren. Damals wurde er im Tausch gegen Öllieferungen und die Streichung Nordkoreas von der US-Terrorlite stillgelegt. 2008 wurde sein Kühlturm vereinbarungsgemäß gesprengt.

Unklar ist, wie lange es dauert, den Reaktor jetzt wieder hochzufahren, weil die Wiederinbetriebnahme vielleicht schon heimlich vorbereitet wurde. Die Anlage stand bereits von 1994 bis 2003 still. Auch ist unklar, ob bei Nordkoreas drittem Atomtest im Februar Plutonium oder angereichertes Uran verwendet wurde. Die ersten Atomtests wurden mit Plutonium durchgeführt. Doch laut den USA reichert Nordkorea auch heimlich Uran an.

Nordkoreas letzter Atomtest führte zur Verschärfung internationaler Sanktionen, auf die Pjöngjang in den letzten Wochen mit martialischen Atomkriegsdrohungen reagiert hat. Beobachter gehen davon aus, dass das Regime von Kim Jong Un kein Interesse an einem Krieg haben kann. Doch zugleich halten viele Beobachter militärische Provokationen für möglich, wie es sie auch schon früher gab. Kims Ziel könnte sein, funktionsfähige Atomwaffen zu entwickeln und sich so vor einem von außen aufgezwungenen Regimewechsel zu schützen und Atomwaffen zugleich als Drohkulisse in Verhandlungen einzusetzen. Kim bezeichnete am Sonntag laut KCNA Atomwaffen als Garant für die Souveränität des Landes. Sie dienten der Abschreckung und als Grundlage für Wohlstand.

Mit der Eskalation führt Nordkorea auch China vor, das bisher noch den größten Einfluss auf seinen Nachbarn hatte. Chinas Außenamt erklärte am Dienstag, man habe die Ankündigung zur Wiederinbetriebnahme Yongbyons „mit Bedauern“ zur Kenntnis genommen. Peking forderte alle Seiten zum Dialog auf und nannte die Situation „heikel und schwierig“. Die USA und Südkorea stellten in den letzten Tagen nichts fest, was auf Kriegsvorbereitungen des Nordens deutet. Doch erklärte Südkorea, auf jede Provokation hart reagieren zu wollen. Die USA verlegten derweil Kampfjets und Kriegsschiffe in die Region. SVEN HANSEN