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Science-Fiction-Theater„Wir dürfen schlecht zaubern“

Schauspiel-Hannover-Intendant Lars-Ole Warburg über sein erstes Jugendtheaterstück, Erinnerungen ans Erwachsenwerden und den theatralen Umgang mit Comic- und Science-Fiction-Elementen.

Egal, ob für Jung oder Alt: Lars-Ole Walburg interessieren gute Storys und gutes Theater. Bild: dpa
Interview von Alexander Kohlmann

taz: Herr Walburg, zum ersten Mal inszenieren Sie mit „Wie ich Johnny Depps Alien-Braut abschleppte“ für das Schauspiel Hannover ein Stück für Jugendliche. Wie ist es dazu gekommen?

Lars-Ole Walburg: Ich denke gar nicht darüber nach, ob ich im Jungen Schauspiel inszeniere. Für mich ist wichtig, dass der Stoff mich interessiert. Als ich das Buch gelesen habe, musste ich nicht nur herzlich lachen, sondern fühlte mich total an meine eigene Jugend erinnert. Situationen, die ich als Dreizehn- oder Vierzehnjähriger erlebt hatte, standen mir total plastisch vor Augen. Ich konnte mich mit diesem Jungen, um den es da geht, sehr gut identifizieren.

Erzählt man eine Geschichte für Jugendliche anders als für Erwachsene?

Letztendlich geht es immer darum, eine gute Story zu haben und gutes Theater zu machen, für Jung oder Alt ist dabei für mich eigentlich egal.

Das Stück ist auch Ihr erster Ausflug auf die kleine Ballhof-Bühne.

Ich freue mich total, endlich mal wieder auf einer kleineren Bühne zu inszenieren. Das macht als Regisseur auch irgendwie Laune, wenn man mal einen Wechsel hat. Man kann dort kammerspielartiger und differenzierter arbeiten. Und natürlich ist der Druck auch ein anderer.

Also auch eine Art Auszeit?

Ja, und für mich vor allen Dingen auch eine Chance, mal die Kollegen hier in der konkreten Arbeit kennenzulernen. Es ist etwas anderes, aber dadurch ist es nicht einfacher, nur weil es ein Stoff für Jugendliche ist.

Im Interview: Lars-Ole Walburg

49, verließ nach einem Volontariat bei Deutschen Fernsehfunk die DDR und studierte an der Freien Uni Berlin Theaterwissenschaften und Germanistik. Von 1996 bis 1998 war Walburg Dramaturg und Regisseur am Schauspielhaus in Hamburg, anschließend Chefdramaturg und Schauspieldirektor am Theater Basel. Seit 2009 ist Walburg Intendant am Schauspiel Hannover.

Ihre Kinder sind im selben Alter wie die Protagonisten des Stücks.

Das ist total lustig. Ich sitze zu Hause und frage meine 13-jährige Tochter, welche Musik sie zum Thema Liebe hören würde. Und dann bin ich total erstaunt, weil eben keine glücklichen Songs kommen, sondern total depressive, wehmütige, traurige Lieder. Und die höre ich mir jetzt im Augenblick auch an.

Das Stück ist ein Science-Fiction-Stoff. Lässt sich so etwas angemessen auf die Bühne bringen?

Ich habe immer gesagt, Science-Fiction und Theater, das verträgt sich überhaupt nicht. Mal schauen, wie es jetzt wird. Im Prinzip hat der Autor etwas ganz Cleveres gemacht. Hinter der Comic-Fantasie eines 14-jährigen Jungen hat er die Geschichte vom Erwachsenwerden und der ersten Begegnung mit der Liebe und der Sexualität versteckt. Dass man sich eine Fantasiewelt aufbaut, um diese Gefühlsverwirrungen auszuhalten, das kann man sich eigentlich ganz gut vorstellen. Und das ist genau das, woran ich mich auch erinnert habe.

Es geht also vor allem um Kopfkino?

Ich weiß noch ganz genau, wie beim ersten Engtanz die Synapsen-Schaltungen im Kopf durcheinanderfunkten. Comic ist da, finde ich, auch eine ganz schöne Vorlage, weil man eben nicht nur „Splash“ und so Sprechblasen vor Augen hat, sondern im Prinzip auch ein E-Werk vorfindet, was da im Kopf abrattert.

Welche Rolle spielen dann auf der Bühne all die Comic-Elemente?

Diese strenge Comic-Form haben wir gar nicht gesucht. Bei uns ist es teilweise tatsächlich eher eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie man jetzt mit all diesen Science-Fiction-Elementen umgeht. Dieses Mädchen hat ja in der Fantasie der Hauptfigur übernatürliche Kräfte. Sie kann Astral-Zoomen, die kann sich in Sekundenschnelle von einem Ort zu einem anderen bewegen, irgendwie.

Wie wird das auf der Bühne umgesetzt?

Das ist natürlich nicht wirklich möglich. Wir wollen aber auch nicht mit Effekten konkurrieren, die wir aus dem Kino zur Genüge kennen. Das Theater hat den Vorteil, dass wir schlecht zaubern dürfen – und das auch noch ganz offen ausstellen. Das macht ja auch so großen Spaß am Theater: dass wir mit sehr wenig Mitteln Behauptungen aufstellen, die im Publikum geglaubt werden.

■ Hannover: So, 12. 4., 19.30 Uhr, Ballhof Eins.

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