JOSEF WINKLER ÜBER WORTKLAUBEREIWIE ICH EINMAL VON MEINEM STEUERBERATER ETWAS LERNTE, DAS ICH MIR LÄNGER ALS ZWEI MINUTEN MERKEN KANN
: Steuerrecht und Hohlhippe

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Es kommt ja nicht oft vor, dass ich von meinem Steuerberater noch was lerne. Nicht, weil ich schon alles über Beitragsbemessungsgrenzen, Kinderfreibeträge, linearprogressive Zonen, Nebenkostenermittlung, Familienleistungsausgleich, unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben, degressive Abschreibungen und/oder Kapitalertragssteuerzusammenveranlagung wüsste. Im Gegenteil: Ohne mir zu nahe zu treten könnte man pauschal feststellen, ja: könnte ein jeder x-beliebige Dahergelaufene mir auf den Kopf zusagen, dass ich über all diese Dinge einen Scheiß weiß. Wenn mein Steuerberater lesen würde, wie ich hier mit Fachbegriffen um mich schmeiße, er würde sich wohl denken: Mein lieber Schieber, die hat er aber aus irgendeinem Online-Lexikon für Steuerfachbegriffe zusammengeklaubt! Und Recht hätte er, wenn er das dächte. Vermutlich dächte er sich das aber gerade nicht, denn mein Steuerberater ist so ein netter und geduldiger Mann, ich muss davon ausgehen, dass er nicht nur an das Gute im Menschen glaubt, sondern auch die zumindest theoretisch gegebene Lernfähigkeit seines Klienten Winkler, J., noch nicht völlig aufgegeben hat.

Rührend sind seine Versuche, zu denen er sich bei unseren raren Terminen immer wieder aufrafft – wahrscheinlich ist es seine berufliche Pflicht einer „Belehrung“ oder so –, mir Zusammenhänge auseinanderzusetzen, mir zumindest ein paar grundlegende Dinge nahezubringen. Und freilich wäre es jetzt das wohlfeile Filetstück dieser Kolumne, wenn ich hier nur einen funkelnden Satz aus einem solchen Erguss halbwegs wörtlich wiedergeben könnte. Aber es tut mir leid, da ist nichts. Es bleibt einfach nichts hängen. So in etwa muss sich Legasthenie anfühlen. Es ist schlimm. Ich sitze dann da in stiller Panik, lasse gelegentlich ein „aha“ oder „ah so“ hören, sobald mir etwas auch nur ansatzweise so plausibel erscheint, als könnte es ein „aha“ oder „ah so“ rechtfertigen, und komme mir noch im gleichen Moment wie ein Hochstapler vor. Irgendwann lässt er dann wieder ab von mir und lacht mich an, als fände er meinen kompletten Unverstand zwar schwer nachvollziehbar, aber auf perverse Art erheiternd und irgendwie exotisch sympathisch. Und sagt dann, er sei so frei und nehme sich jetzt noch so eine Hohlhippe. Bitte, was? Dieses Gebäck hier, erklärt er mit Verweis auf die Waffelröllchen, die wir anlässlich des Steuerberaterhausbesuches zum Tee gestellt haben, nenne man Hohlhippen – lustiges Wort, gell? Aber hallo! Das bei weitem lustigste des Tages! Und so kam es, dass ich einmal etwas von meinem Steuerberater lernte, das ich nicht nur fürs Leben brauchen, sondern mir auch merken kann.

Apropos fürs Leben: Mein Sohn, stramme vier Wochen alt, hat gestern seinen ersten an ihn persönlich adressierten Brief erhalten. Nein, kein Herziboppi-Kärtchen von der stolzen Großtante. Vielmehr dies: „Sehr geehrter Herr Winkler, das Bundeszentralamt für Steuern hat Ihnen die Identifikationsnummer XYXY zugeteilt. Sie wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig.“ Ja wunderbar. Darauf erst mal noch eine Hohlhippe.