Krankenbett plus Kadi

Menschenrechtler: Deutschland soll usbekischen Minister auf Klinikbesuch in Hannover wegen Massakers anklagen

BISCHKEK taz ■ Kommt der usbekische Innenminister Sokir Almatow vor den deutschen Kadi? Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die deutschen Behörden aufgefordert, gegen Almatow wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu ermitteln. „Hier bietet sich die vielleicht einzige Gelegenheit, ihn für zumindest einige der Gräueltaten vor Gericht zu bringen“, sagte Holly Cartner, Leiterin der Europaabteilung von HRW.

Dem dienstältesten usbekischen Minister wird vorgeworfen, die Hauptverantwortung für das Massaker von Andischan zu tragen. Am 13. Mai hatten Truppen des Innenministers des zentralasiatischen Staates einen Volksaufstand in der usbekischen Provinzstadt blutig niedergeschlagen. Nach Angaben von HRW wurden dabei über 500 Zivilisten getötet.

Almatow, der in seiner Amtszeit zudem für zahlreiche Fälle von Folter und Menschenrechtsverletzungen die Verantwortung trägt, lässt sich zurzeit in einer hannoverschen Spezialklinik von einem Krebsleiden kurieren.

Nach dem Massaker von Andischan hatte die Europäische Union gegen die Hauptverantwortlichen der Bluttat ein Einreiseverbot in die Länder der Gemeinschaft verhängt, da sich der usbekische Staat nach wie vor weigert, eine internationale Untersuchungskommission ins Land zu lassen. Almatow steht ganz oben auf der EU-Liste. Dies hinderte die deutsche Bundesregierung jedoch nicht daran, dem „Schlächter von Andischan“ eine Sondereinreisegenehmigung aus „humanitären Gründen“ zu erteilen.

Die Bundesanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige von HRW und erklärte, dass diese nun geprüft werde. Deutschland unterhält in der usbekischen Provinzstadt Termes einen Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr, von dem aus deutsche Soldaten in Afghanistan versorgt werden. Um diesen aufrechtzuerhalten, hat sich die Bundesregierung auf einen diplomatischen Schmusekurs mit dem Regime in Usbekistan begeben. Zum Dank darf Deutschland die Basis in Usbekistan behalten.

Unterdessen gehen die Prozesse gegen vermeintliche Drahtzieher des Andischaner Aufstandes unverändert weiter. Am Mittwoch wurde gegen 114 Usbeken Anklage erhoben. Trotz der Bemühungen von OSZE und HRW bleiben die Gerichtstüren für Beobachter, Journalisten und Familienangehörige verschlossen. Viele hundert Usbeken befinden sich noch in Haft.

MARCUS BENSMANN