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Zwischenräume des Urbanen

Wenig Glamouröses aus der angeblichen Königin unter den Städten: Noch bis Mitte Januar hintergeht der Hamburger Fotograf Michael Zibold mit seinen Bilder aus Buenos Aires so manche Erwartungshaltung

Michael Zibold ist Hamburger. Zumindest lebt er schon seit vielen Jahren hier. Vielleicht liegt es daran, dass ihn Hafenstädte in den Bann gezogen haben – Städte, die von Aufbruch künden, gar von der großen, weiten Welt. In Lissabon und Shanghai, in St. Petersburg, Neapel, Bombay und New York, Palermo, Havanna und Istanbul ist Siebold schon gewesen, im Herbst vergangenen Jahres zog es ihn nach Buenos Aires.

Was den Fotografen an Hafenstädten fasziniere, sei ihr „kommunikatives Potenzial“, sagt sein Galerist Robert Morat. In seinem Ausstellungsraum unweit der Speicherstadt zeigt er noch bis zum 12. Januar Zibolds Serie „Buenos Aires“.

In einer Hafenstadt zu leben, das heißt das Fremde im eigenen Leben zuzulassen. Das trifft gerade auf Buenos Aires, eine Megacity mit heute rund 11 Millionen Einwohnern in besonderem Maße zu. Von jeher war die Hauptstadt Argentiniens ein Ort des Handels und der kulturellen Begegnung von Südamerika und Europa.

Im Tango, dessen Herz hier schlägt, wird oft behauptet, Buenos Aires sei die Königin aller Städte. Die klein- bis mittelformatigen Schwarzweißfotografien Michael Zibolds lassen das reichlich übertrieben erscheinen. Er zeigt uns in kühner Perspektive sich aufreckende, heruntergekommene Hochhäuser mit kaputten Fensterläden oder einen verlassenen Sportplatz mit einem Schatten an die Wand werfenden Fußballtor ohne Netz. Wenig glamouröse Unorte, Zwischenräume des Urbanen. Zibold sucht nicht die Orte auf, die ein Reiseführer vorstellen würde. Er findet sein Thema im Nebensächlichen. Es braucht nur wenig, um einen Ort zu charakterisieren.

Der 1957 geborene Fotograf zeigt uns in seiner Serie auch einige ältere Männer, Herrschaften in aristokratischem Schwarzweiß. Sie machen nicht viel: Sitzen in Cafés, trinken Mate, rauchen oder kaufen auf einem Markt ein. In stiller Selbstverständlichkeit tun sie nicht mehr als das, was sie immer tun – und werden dadurch zu einem Symbol.

Die Ausstellung ist vor allem ein Beleg dafür, wie sehr die Fotografie Erwartungshaltungen hintergehen kann. Eine Serie über Hafenstädte? Kaum ein Schiff ist auf den Bildern des Fotografen zu sehen. Eine Serie über eine Riesenstadt? Keine Hektik ist spürbar, sondern das genaue Gegenteil: Stillstand. Verlassenheit. In der Verweigerung der Information, wo genau die Bilder entstanden sein könnten, liegt die Chance: Zeitlosigkeit durchglüht diese Arbeiten.Marek Storch

Michael Zibold: „Buenos Aires“, Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr, Robert Morat Galerie, Kleine Reichenstraße 1; bis 12. 1. 2006

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