Folteropfer im Verhör?

Nicht gegendarstellungsfähig (XXXII), Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Bigotte Debatte

Folter gibt es überall. Von Systematischer Folter sprechen Menschenrechtsaktivisten, wenn sich in einem Staat bei einer Mehrzahl von Fällen ein Muster herausbildet, das deutlich macht, dass die politisch Verantwortlichen die Vorgänge kennen, billigen oder fördern.

In der internationalen Staatengemeinschaft gibt es allenfalls 20 Länder ohne systematische Folter. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika gehören bekanntlich nicht (mehr) zu dieser erlesenen Schar. Ebenso wenig die meisten osteuropäischen EU-Kandidaten und Mitglieder.

Wer würde verantworten können, dass zur Terrorbekämpfung nur Quellen aus Ländern ohne systematische Folter ausgewertet werden dürfen? Das Geschrei möchte ich hören, wenn deutsche Schlapphüte nach einem Attentat auf die Berlin U-Bahn erklären, dass die Sicherheitsbehörden der 20 folterfreien Rechtsstaaten keine Erkenntnisse hatten, der Rest aber nicht erschlossen wurde.

Also: Selbstverständlich müssen deutsche Geheimdienste und Polizei auch Häftlinge in Folterstaaten verhören dürfen.

Was sie nicht dürfen: in irgendeiner Weise die Verschleppung, Inhaftierung oder Verlängerung rechtsstaatswidriger Inhaftierung fördern.

Was sie tun müssen: neben der Vernehmung zur Gefahrenaufklärung auf einen menschenrechtsgemäßen Zustand hinwirken. Das unterscheidet meine Haltung übrigens von der des früheren stellvertretenden Polizeipräsidenten von Frankfurt, Daschner: Der hat dem Mörder des Metzler-Sohns selbst die Folter angedroht. Wer das tut, muss ohne jede Ausnahme bestraft werden.

Die Erklärungen des Bundesinnenministers leiden darunter, dass er die klare Trennung zwischen Gefahrenprävention und Strafverfolgung nicht zieht. Er offenbart zudem ein Verständnis von Folter, das offen rechtsstaatswidrig ist.

Wenn Schäuble behauptet, es gäbe keine seriösen Anhaltspunkte dafür, dass Häftlinge in Guantánamo gefoltert würden, so ist ihm entgegenzuhalten: Allein das Festhalten ohne Verfahren, richterliche Kontrolle und Befristung stellt in seiner Perspektivlosigkeit schon Folter dar.

Erklärungen von Gefolterten oder mit Folter oder rechtsstaatswidriger Inhaftierung Bedrohter zum Zwecke der Strafverfolgung dürfen auf keinen Fall erhoben werden, und zwar weder Eigen- noch Fremdbelastende.

Vernehmer, die diesem Verbot zuwiderhandeln, müssten mit unnachsichtiger Schärfe disziplinar- und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso muss unterlassene Hilfeleistung rücksichtslos verfolgt werden. Wobei ich überzeugt bin, dass genau das nicht geschieht, dass die Vernehmer des Deutschsyrers in Damaskus und des Deutschtürken in Guantánamo auch Strafverfolgung betrieben haben. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass die deutschen Behörden keineswegs „alles Erdenkliche“ unternommen haben, den Inhaftierten in Damaskus und Guantánamo zu helfen.

Das ändert nichts daran, dass niemand ernsthaft ein generelles Kontaktverbot deutscher Behörden zu Opfern rechtsstaatswidriger Inhaftierung und Vernehmungen fordern kann. Jedenfalls nicht, solange mit Anschlägen wie in Madrid oder London zu rechnen ist.

Unser Autor ist Strafverteidiger und Rechtsanwalt in Berlin