Erschwerte Härtegründe

MIETRECHT Während Mieterschützer gegen die Neuregelungen bei energetischen Sanierungen wettern, fühlen sich Vermieter vom Gesetzgeber besser unterstützt

■ Seit dem Regierungswechsel in Niedersachsen im Februar besitzen SPD und Grüne im Bundesrat eine Mehrheit. Diese Gestaltungsmacht wollen die Parteien nach eigenem Bekunden nutzen, um die Mietpreisspirale am Wohnungsmarkt zu stoppen. So soll die Miete bei Neuvermietungen um nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Bisher durften es bis zu 20 Prozent sein. Bei Bestandsmieten soll der Preisanstieg auf maximal 15 Prozent in vier Jahren begrenzt werden. (mk)

VON MANDY KUNSTMANN

Am 1. Mai tritt das umstrittene Mietrechtsänderungsgesetz in Kraft. Mieterschützer sehen mit dem neuen Regelwerk zahlreiche Nachteile auf Mieter zukommen. Vermieter begrüßen derweil das von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Gesetz, das Immobilienbesitzern bei energetischen Sanierungsmaßnahmen unterstützen soll.

Als „absolut überflüssig“ bezeichnet der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, das Gesetz. Die wohl entscheidendste Neuregelung beschränkt die Rechte von Mietern bei energetischen Sanierungen. Mieter dürfen demnach die Miete nicht mehr von Anfang an kürzen, wenn der Vermieter neue Fenster einbaut oder eine neue Fassadendämmung anbringt. Bei Maßnahmen wie diesen, die die Energieeffizienz einer Immobilie steigern, ist künftig keine dreimonatige Mietminderung mehr möglich.

„Der Mietminderungsausschluss ist äußerst problematisch“, kommentiert Wibke Werner, Sprecherin des Berliner Mietervereins, die neue Klausel. „Es ist eine extreme Belastung für den Mieter, wenn während der Bauarbeiten zum Beispiel wochenlang die Heizung ausfällt, ohne dass das Konsequenzen für die Mietzahlung nach sich zieht.“ In keinem anderen Rechtsgebiet gebe es einen solchen Ausschluss. Weil bei Instandsetzungsarbeiten der Minderungsausschluss nicht greife, sieht Werner zudem praktische Probleme bei der Abgrenzung zwischen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen.

Nach wie vor können Vermieter jährlich 11 Prozent der Kosten von Modernisierungsarbeiten auf ihre Mieter umlegen – ob sie nun das Bad neu herrichten oder isolierte Fenster einbauen. An dieser Regelung rüttelt das neue Gesetz nicht. Grundsätzlich sind Mieter zur Duldung von Modernisierungsarbeiten verpflichtet, es sei denn, die Renovierung bedeutet für sie eine Härte. So liegt beispielsweise ein Härtegrund vor, wenn der Vermieter die Fenster zu einer kalten Jahreszeit austauscht, die Wohnung baulich verkleinert oder die Mieterin schwanger ist. Allerdings wird es künftig für Bewohner schwerer, sich auf Härtegründe zu berufen und so die Duldung der Modernisierung zu verweigern. „Neuerdings werden die Härtegründe des Mieters nicht nur an den Interessen des Vermieters, sondern auch an dem Klimaschutz gemessen“, erläutert Werner eine wichtige Neuregelung.

Zwar räumt die Mietrechtsnovelle Bewohnern bei Modernisierungsmaßnahmen ein Sonderkündigungsrecht ein. Viel Zeit, davon Gebrauch zu machen, bleibt ihnen allerdings nicht. Bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt, müssen sie kündigen. Das ist Mietervereinen ein Dorn im Auge: Mietern bliebe kaum Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen oder überhaupt erst einmal über die Konsequenzen einer Kündigung nachzudenken.

Vermieter begrüßen dagegen die Neuregelungen. Endlich nun könnten die „notwendigen Mietrechtsänderungen“ in Kraft treten, verkündet der Präsident der Eigentümerschutzgesellschaft Haus & Grund, Franz-Georg Rips. Die Begeisterung begründet sich unter anderem in einer Klausel, mit deren Hilfe sich Wohnungseigentümer leichter und kostengünstiger gegen sogenannte Mietnomaden zur Wehr setzen können.

Nach altem Recht ist es im Falle einer Zwangsräumung Sache des Gerichtsvollziehers, sämtlichen Besitz des Mieters aus der zu räumenden Wohnung zu bringen und einlagern zu lassen. Das kommt den Vermieter oft teuer zu stehen. „Speditions- und Einlagerungskosten von 8.000 Euro kommen da schnell zusammen“, meint Haus-&-Grund-Rechtsexperte Kai Warnecke. Nach neuem Recht kann der Gerichtsvollzieher dem Wohnungseigentümer den Besitz an den Gegenständen in der Wohnung einräumen. Damit bekommt er die Möglichkeit, sich kostengünstiger um den Verbleib des Hausrats des säumigen Mietzahlers zu kümmern.

In der Praxis kommt diese Art der Zwangsräumung – auch „Berliner Räumung“ genannt – zwar schon zum Einsatz, und auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs hat die Vorgehensweise bekräftig. Mit dem neuen Mietrecht findet die Vorgehensweise nun aber eine gesetzliche Verankerung. Damit einhergehend erhalten Vermieter gleichzeitig ein fristloses Kündigungsrecht, wenn Mieter mit zwei Teilzahlungen für die Kaution in Verzug geraten. Auch dieser Vorschrift können Mieterschützer nichts Gutes abgewinnen.

Neben zahlreichen negativen Punkten finden sie dennoch einige positive Ansätze am neuen Regelwerk. Ein Lichtblick sei beispielsweise, dass Landesregierungen die Möglichkeit bekommen, Städte mit besonderen Wohnungsproblemen auszuweisen, in denen dann die Miete nur noch höchstens um 15 Prozent in drei Jahren steigen darf. Bisher waren es maximal 20 Prozent.