LESERINNENBRIEFE
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Eine Provokation

■ betr.: „Die kapitalistische Metropole“, taz vom 27. 3. 13

Wenn das keine Provokation ist, dahin also soll die Reise gehen: In die Mitte der Berliner Mitte ein 150 Meter hoher Wohnturm geklotzt, für Betuchte aus aller Welt, die dann von oben auf die zu Ameisen degradierten und ansonsten in die künftigen Slums der Vorstädte abgeschobenen Eingeborenen heruntersehen. Ein Koloss mit der eindeutigen Botschaft, dass hier das Geld regieren soll und sonst gar nichts. Da wird keine Wohnung frei für Otto Normalverbraucher, das ist Kolonialisierung durch das Kapital, beschämend für eine Regierung, die sich sozialdemokratisch nennt, und für eine Stadtplanung, die sich diesem Prozess als Handlangerin andient.

Dann der Wahn sogenannter Verdichtung: Für wirkliches Leben in einer Stadt unverzichtbar sind doch ihre unbebauten Räume, freien Flächen, Weiten, Bäume, wo man aufatmen kann, wo sich kreative Urbanität entfaltet, wie in den letzten Jahre so überzeugend wahrnehmbar. Dieses in Mitte dankbar zu begrüßende und dem Bürgersinn zur Verfügung zu stellende Erbe des sozialistischen Städtebaus wird nun von internationalen Investoren mit ihren Betonburgen und Hochhäusern eingepfercht, vom US-Investor und anderen für das Kapital sturmreif geschossen.

Wenn diese Stadt sich Richtung Metropole pervertiert, wird sie ihre Seele verlieren, das Desaster all der anderen Metropolen dieser Welt erleiden und von ihnen nicht mehr zu unterscheiden sein. Regierung und Planende stehen auf der falschen Seite. Berliner, wenn ihr eure Stadt liebt und weiter in ihr wohnen wollt, dann wehrt euch! HORST JAHN, Berlin

Es geht um Ästhetik

■ betr.: „Die kapitalistische Metropole“, taz.de vom 26. 3. 13

In die Betonwüste Alex ein bisschen Leben zu bringen, sollte jeder Berliner begrüßen. Mit Fernsehturm und Park Inn in der Nachbarschaft ist der Platz wie geschaffen für ein Hochhaus. Daran hätten die Stadtplaner schon denken sollen, als die peinlichen halbhohen Bauten für Alexa (schweinchenrosa Kitsch) und Saturn (langweiliger Würfel) entworfen wurden. Diese beiden Architektursünden sind dem Zentrum einer Metropole unwürdig. Ich bin schon gespannt auf den Wettbewerb für das Hochhaus. CLAUDIA, taz.de

Eher was für Fachleute

■ betr.: „Rückkehr der alten Planer“, taz vom 3. 4. 13

Dass man Hartmut Mehdorn brauchte, um den Rausschmiss der Planer mit der höchsten Detailkenntnis rückgängig zu machen, verwundert schon. GMP haben auch TXL geplant, von Gerkan hat sich Gedanken um die Weiterentwicklung von Tegel gemacht. Das Büro hat internationale Reputation. Aber hat GMP nicht auch die Bahn/Mehdorn verklagt wegen der Verkürzung der Überdachung des Hauptbahnhofs, ist da nicht noch was offen? Mir ist es sowieso schleierhaft, dass Politiker im Aufsichtsrat sitzen und nicht Baudirektoren, die es bei SenStadtUm und beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, gibt. Bund und Land sind doch die Bauherren, und sie haben die Experten! Der Brandschutz bei einem Projekt dieser Größenordnung, mit den neuen Vorschriften (Prüfingenieure für Brandschutz) und Schadensfällen in der Vergangenheit ist doch eher etwas für Fachleute.

NORBERT VOSS, Berlin

Gefährliche Autofahrer

■ betr.: „Radwege sind gefährlich“, taz vom 30. 3. 13

Radwege sind gefährlich, weil Autofahrer gefährlich sind. Vor allem für Schulkinder und ältere Menschen sind Radwege eine beruhigte Zone im Straßenverkehr, auf die nicht verzichtet werden darf. Die neue Straßenverkehrsordnung stellt Radfahrstreifen auf dem Fahrdamm mit Radwegen auf dem Bürgersteig gleich, weil diese „Unfallschwerpunkte sind“. Ein Denkmal am Kaiserdamm erinnert an ein Kind, das bei Grün seiner Mutter auf dem Radweg hinterherfuhr und von einem Rechtsabbieger getötet wurde. Also sollte man etwas für/gegen eilige Rechtsabbieger tun:

1. In Münster hängt an unübersichtlichen Kreuzungen unterhalb des Grünlichts ein Spiegel. Dadurch kann ein Lkw- oder Pkw-Fahrer beim Abbiegen Radfahrer und Fußgänger sehen. Der Tote Winkel verschwindet.

2. An Unfallschwerpunkten sollte, wie in Spanien, Rechtsabbiegen verboten werden, unbelehrbare Autofahrer müssen dann einen Umweg mit zwei Linksschleifen in Kauf nehmen.

Radfahren in der City ist auch auf kleinen Straßen gefährlich, weil das Parken in zweiter Reihe zum längeren „Be- und Entladen“ überall geduldet wird, aber das „Überholen“ dieser Verkehrshindernisse zu einem für Radfahrer lebensgefährlichen Vorgang macht. Ich bin nach der neuen Straßenverkehrsordnung noch ratloser, wie ich meine Enkelkinder mit dem Fahrrad zur Schule begleiten soll. GERIT V. LEITNER, Berlin

Unfallrisiko minimieren

■ betr.: „Radwege sind gefährlich“, taz.de vom 29. 3. 13

Richtig: Innerstädtisch sind Radwege auf dem Bürgersteig neben dem Gehweg zumeist gefährlich. Außerorts allerdings können sie lebensrettend sein. Wer mit dem Rad auf einer Bundes- oder Landstraße unterwegs war, wird das bestätigen können. Je größer die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Kfz- und Radverkehr, desto wichtiger sind separate straßenbegleitende Radwege. Innerstädtische Unfälle zwischen Radverkehr und rechts abbiegendem Autoverkehr machen es notwendig, dass der Radverkehr auf der Straße geführt wird. Aber dann sollte innerstädtisch auch Regelgeschwindigkeit 30 gelten, um die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den einzelnen Verkehrsträgern zu reduzieren.

ARGUMENT FÜR TEMPO 30 INNERORTS, taz.de