DEUTSCHE STOLZ: KANZLERIN HAT SICH BEWÄHRT
: Eine Leuchte unter vielen Funzeln

BERLIN taz ■ Als „Schrittmacherin“ Europas wurde Angela Merkel am Wochenende gepriesen, als „neuer Stern“ am europäischen Himmel, als uneitle, weiblich-pragmatische Mittlerin, die allein die „Gockel“ beziehungsweise „Skorpione“ Blair und Chirac habe trennen können. Die Großkoalitionäre in Berlin hörten es gern. Der für Aufbau Ost zuständige Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erklärte: „Das ist ein gutes Ergebnis für Deutschland insgesamt.“

Nach verbreiteter Deutung war es Merkels Coup, schließlich 100 Millionen Euro an Polen weiterzureichen, die als Strukturmittel vor allem für die ostdeutschen Länder vorgesehen waren. So wurde Polens Zustimmung eingeholt und das durch Exkanzler Gerhard Schröder (SPD) so strapazierte deutsch-polnische Verhältnis aufgemöbelt.

Man müsse Merkel „loben, weil sie den konfrontativen Schröderstil beendet hat“, erklärt auch der FDP-Europapolitiker Markus Löning. Gleichwohl „kostet uns dieser Kompromiss eine Milliarde Euro im Jahr extra“. Der EU-Haushalt umfasse nun 1,045 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Der Bundestag habe gefordert, dass 1 Prozent die Grenze sei. Wenn Merkel jetzt mehr ausgeben wolle, „muss sie sagen, woher sie das Geld nehmen will“.

Der grüne EU-Politiker Rainder Steenblock sagt, Merkel habe „jedenfalls keinen Fehler gemacht“. Sie habe „die historische Chance genutzt“, die sich aus der Schwäche Chiracs und Blairs ergebe. „Es braucht allerdings relativ wenig Strahlkraft, um unter diesen Funzeln hell zu leuchten.“ Es sei jedoch „bitter“, dass unklar bleibt, wann die EU ihre Agrarsubventionen reformieren will.

Der Linken-Fraktionsvize Bodo Ramelow erklärt, der Erfolg Merkels sei eine „Inszenierung“. Die „Geste der großen Schenkerei“ an Polen sei „arrogant“, das Hauptproblem, die ungerechte Mittelverteilung innerhalb der EU, bloß „weitergeschoben“. UWI