Mach mir den Hof

LANDWIRTSCHAFT Demeter-Betriebe wirtschaften nachhaltig – auch beim Nachwuchs: eigene Ausbildungsgänge sollen ihn sichern. Die Theorie nimmt nur ein Fünftel der Zeit ein

Die Ausbildung steht jedem offen, die Abbruchquote liegt bei etwa einem Drittel

VON CONSTANZE NAUHAUS

Martha hat Klauenschmerzen. Die Kuh humpelt über die Wiese und gibt kaum Milch. Sollte man sie homöopathisch oder doch lieber allopathisch behandeln? Eine alltägliche Frage für den angehenden Biobauern Walter Buchholz. Er ist schon seit sechs Uhr auf. Kühe melken, Tiere versorgen – biorhythmisch kann ein Tag kaum geeigneter beginnen. Walter lernt im dritten Jahr. Seit drei Wochen lebt der 20-Jährige auf Gut Adolphshof in der Nähe von Hannover, wo er den praktischen Teil seiner biologisch-dynamischen Landwirtschaftsausbildung absolviert.

Die vom Ökoverband Demeter ins Leben gerufene freie Ausbildung ist deutschlandweit verschieden aufgebaut, da jede Regionalgruppe der Kultushoheit des jeweiligen Bundeslandes unterworfen ist. „Es handelt sich nicht um eine Berufsausbildung, sondern um eine Grundausbildung“, betont Jan-Uwe Klee. Er ist Geschäftsführer der Bäuerlichen Gesellschaft, die für die freie Ausbildung im Norden zuständig ist. Für eine staatliche Gesellenprüfung muss man sich zusätzlich anmelden. Einige Demeter-Betriebe, die bestimmte Kriterien der Landwirtschaftskammer erfüllen, haben deshalb auch eine staatliche Ausbildungsberechtigung. Hier kann man als Lehrling gleich einen staatlichen Abschluss als Landwirt machen, muss dafür jedoch neben der praktischen Arbeit noch eine konventionelle Berufsschule besuchen. „Unproduktiv“, findet Martin von Mackensen, Ausbildungs-Landwirt auf dem Dottenfelder Hof in Hessen, „weil man lauter Dinge lernt, die man nicht braucht und die Dinge, die man braucht, nicht lernt.“

Doch was braucht man als biodynamischer Landwirt in spe? Zunächst einmal Energie. „Landwirtschaftliche Arbeit ist hart“, weiß Markus Knösel von der Landbauschule Bodensee. „Man sollte es nicht tun, nur weil man gerade keine andere Idee hat.“ Die Ausbildung steht jedem offen. Dem Schulabgänger ebenso wie dem langjährigen BWL-Studenten. Bewirbt man sich bei einem Betrieb um einen Ausbildungsplatz, hört man meist: „Toll, deine Bewerbung, aber komm mal lieber drei Tage vorbei.“ Schließlich muss man dann einige Monate oder Jahre miteinander leben. Die Abbruchquote liegt deutschlandweit bei etwa einem Drittel. „Fast alle Auszubildenden hatten vorher noch nie eine Harke in der Hand“, meint Jan-Uwe Klee von der Bäuerlichen Gesellschaft. „Viele merken erst mit der Zeit, dass sie den Anforderungen des Bauernlebens psychisch und physisch nicht gewachsen sind. Oder dass sie auf der Sinnsuche, die sie zu uns geführt hat, auch hier nicht fündig werden.“

Walter hingegen hatte schon öfter eine Harke in der Hand, bevor er einen Tag nach seinem 18. Geburtstag als Azubi auf dem Siebengiebelhof im Süden Mecklenburg-Vorpommerns einzog. Nach seinem Realschulabschluss auf der Waldorfschule und einem Praktikum in dem kleinen, familiären Betrieb verbrachte der gebürtige Wuppertaler hier, in der Nähe von Schwerin, seine ersten zwei Lehrjahre. Mehrmaliges Wechseln des Betriebes ist während der Ausbildung vorgesehen. So lernt man unterschiedliche Bewirtschaftungsweisen kennen. Nette Leute habe er während seiner Lehrjahre getroffen, so Walter.

Begleitet wird die praktische Ausbildung auf dem Hof von Seminarblöcken an Schulen oder nach dem Rotationsprinzip an umliegenden Höfen. Diese Theorieblöcke finden meist im Winter statt, wenn es auf den Höfen ruhiger zugeht. Der Unterricht ist stark anthroposophisch geprägt. Neben den Grundlagen des biologisch-dynamischen Landbaus gehören auch künstlerisches Arbeiten dazu. Zum einen dienen diese Elemente zur Auflockerung des Unterrichts, zum anderen schulen sie aber Fähigkeiten, die ein Landwirt haben sollte. Dazu zählen etwa Wachsamkeit und Sensibilität für natürliche Vorgänge.

Doch der theoretische Teil beläuft sich nur auf etwa ein Fünftel der Zeit. Letztendlich ist die Ausbildung so, wie Walter sie sich vorgestellt hat. Praxisnah, mit Gummistiefeln in Kuhstall und Gemüseacker. Seine Zukunftspläne? „Mal sehen, irgendwann so ein eigener Hof, das ist schon ein entferntes Ziel.“ Eine erste Hürde dafür hat er geschafft. Martha ist wieder gesund. Dank Mercurius solubilis, einem homöopathischen Präparat.