Ist Justin Bieber cool?
JA

KREISCH Er hat mehr Follower auf Twitter als sein Herkunftsland Einwohner. Gerade ist er auf Welttournee. Was Kinder und Jugendliche über den Star aus Kanada denken

Die sonntaz-Frage wird vorab online gestellt.

Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante

Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.

www.taz.de/streit oder www.facebook.com/taz.kommune

Can Büyükcinar, 18, macht sein Abi an der Akademie für Internationale Bildung in Berlin

Ich finde, man muss ganz klar zwischen zwei Dingen unterscheiden: Es gibt den privaten Justin Drew Bieber aus Kanada, der sich mit der Gitarre Kleingeld vor einem Theater verdient hat, und heute den Justin Bieber mit Sixpack (am Anfang war’s seine Frisur), also die Ware aus den Staaten. Den Typen, der einen Fotografen bespuckt hat, News als Tierquäler macht und dessen Stimme sich auch verändert hat. Warum er trotzdem cool ist, meiner Meinung nach? Er hat viele Talente, er hat sich selbst das Spielen von Klavier, Gitarre und Schlagzeug beigebracht, war als Newcomer schüchtern, aber aufgeschlossen. Mit 14 wurde er entdeckt. Erfolge hat er schnell gefeiert, etliche Preise eingeheimst. Jetzt ist er 19. Und beruflich hat er viel erlebt, aber privat? Die Trennung von Selena Gomez wurde in der Presse breitgetreten. Seine „Freunde“ bereichern sich an ihm. Es zeigt sich langsam, dass er einfach keine Kindheit hatte. Er hat vieles verpasst, wurde als weltweites Produkt verkauft. Ich habe ihn in Berlin erlebt, er singt Playback und schaut dabei lustlos aus. Ich finde ihn cool, aber das Produkt, das er sein muss, macht seine Person kaputt.

Elsa Kramer, 3, aus Berlin hat sich auf YouTube das Video zu „Baby“ angesehen

Verwackelte Kamera, so als würde einer der Fans selbst filmen. Justin Bieber läuft an wartenden Mädchen mit Regenschirmen vorbei, sie bilden eine Gasse, von vorne filmt jemand, wie er die Treppen hochsteigt. Er umarmt Mädchen, sie weinen, kreischen, lächeln, er singt: Baby, Baby, Baby. Elsa kennt Justin Bieber noch nicht, wird jetzt aber mit ihm konfrontiert. Ihr Kommentar: „Der ist ein bisschen komisch. Ich finde den doof.“ Stilles Zugucken. „Wir wollen das trotzdem sehen.“ Der Vater: „Obwohl du den doof findest?“ Sie: „Ja.“ Der Vater: „Warum?“ Sie: „Weil ich den doof finde.“ Plötzlich läuft Justin Bieber mit Krücken durch das Bild: „Warum hat der so Krücken?“ Eine erste Faszination ist geweckt.

Pauline Armengol, 13, geht in die 8. Klasse und lebt in der Kleinstadt Die in Frankreich

Ich finde Justin Bieber cool. Er hat sich zwar ab und an einen Flop geleistet, aber davon hat er sich schnell wieder erholt. Vielleicht auch wegen seiner Fanbase, die ihn schon lange unterstützt. Und so eine Fanbase muss man sich erst mal aufbauen! Wie er auf seine Fans eingeht und sich ihnen widmet, das ist wirklich super. Er hat einfach Stil: wie er sich gibt und was er macht. Diese Leute, die ihn aus unerklärlichen Gründen hassen, haben einfach keine eigene Meinung. Es gibt Gründe genug, ihn zu lieben: Seine Singstimme ist genial, er ist „swag“, lässig-cool, wie die Bieber-Fans auch sagen. Ich gehöre zwar nicht zu seiner Fanbase, aber ich bewundere ihn aufrichtig.

Lisa Runzheimer, 13, kommt aus Haiger. Sie hat die Streitfrage per Mail kommentiert

Ich finde Justin Bieber ist eindeutig ein Ausnahmetalent! Er spielt Gitarre, Klavier, Schlagzeug, Trompete und kann dazu noch verdammt gut singen. Er kann sich gut verkaufen und auf der Bühne geht er richtig ab und hat coole Tanzschritte drauf. Wenn er untalentiert wäre, wäre sein Manager Scooter Braun wohl nicht so begeistert von ihm gewesen, als er ihn auf YouTube sah und hätte nicht verzweifelt nach irgendeiner Quelle gesucht, um an Justin ranzukommen. Er bemüht sich so gut es geht, viele seiner Fans glücklich zu machen, besucht viele kranke Kinder und spendet regelmäßig an Wohltätigkeitsvereine. Viele der Leute, die Justin Bieber hassen, kennen weder seine Musik, noch wissen sie überhaupt irgendwas von ihm. Sie hassen ihn, einfach weil‘s die anderen auch tun.

Nein

Robynne Winkler, 16, besucht ein Ganztagsgymnasium und lebt in Berlin-Wedding

Wer sich in seinem Stil und Auftreten nicht von anderen beeinflussen lässt, schwierige Situationen souverän meistert und in seinem Tun den Eindruck erweckt, er hätte so weit alles, vor allem sich selbst unter Kontrolle, ist cool. Justin Bieber ist nicht cool. Justin Bieber ist ein jugendlicher Popsänger und muss deshalb vor allem eins sein: massenkompatibel. Er produziert also Musik für die Masse, von deren Gunst sein Erfolg abhängt. Es existiert außerdem ein beeindruckender Personenkult um ihn. Sein Privatleben wird von allen Seiten beleuchtet. Wenn er also Liebeskummer hat oder ein peinliches T-Shirt trägt, erfahren seine Fans es sofort. Die Chance auf eine geheimnisvolle Aura, die zur Coolness irgendwie dazugehört, ist von Anfang an vertan. Das alles muss aber nicht gegen ihn sprechen, denn sein Image ist eben nicht das des coolen Typen, sondern das des süßen Mädchenschwarms. Wenn also ein Fan sagt, er finde Justin Bieber cool, dann ist das wohl eher ein „cool“ im Sinne von „toll“, „fantastisch“. Ob er das auch tatsächlich ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters.

Kunika Tappert, 11 Jahre, lebt in Berlin und war früher auch ein Fan von Justin Bieber

Als ich so sieben war, fand ich Justin Bieber gut. Sein CD-Cover war lila, und das war damals meine Lieblingsfarbe. Heute mögen meine Freundinnen und ich den gar nicht mehr. Er ist total selbstverliebt. Er macht Fotos von seinen Bauchmuskeln und zieht auf der Bühne sein T-Shirt aus. Er fährt Prollautos, trägt Bling-Bling-Ketten und hat einen Gürtel mit Dollarzeichen drauf. Alle Jungs sagen, sie hassen Justin Bieber, aber sie eifern ihm nach, und das ist peinlich. Zum Beispiel machen sie seine Frisur nach, erst so ein Wusch und jetzt hochgegelte Haare. Sein größter Hit war „Baby“ und das war auch der schlimmste. Sein „Ba-by“ löst bei mir einen Würgreiz aus.

Max Hoyer, 5, lebt in Los Angeles. Er geht in den Kindergarten und trägt gern Jackett

Ich mag Justin Bieber eigentlich nicht. Er ist langweilig. Wenn ich mit meiner Mama Auto fahre, höre ich am liebsten Lady Gaga. Und mein Bruder Sam mag „Gangnam Style“, also gehen wir darauf ab. „Gangnam Style“ macht so viel Spaß. Wir hören das die ganze Zeit und schauen es uns auf YouTube an. Lieder von Justin Bieber kenne ich nicht mal. Mein Bruder sagt, er sieht aus wie ein Mädchen.

Lucia Wunsch, 18 Jahre, aus Oberkirch, hat die sonntaz-Frage per Mail kommentiert

Mal ehrlich, Justin Bieber ist kein Mozart der Popmusik und auch keine moderne Mutter Teresa. Er ist einfach nur ein maßlos überschätztes YouTube-Talent mit einem Arsch voll Glück. Lässt man sich auf der Videoplattform mal ein Stündchen Zeit, wird man dutzende Künstler finden, die sich zum einen mehr Mühe geben und zum anderen offensichtlich mehr Talent haben. Und keiner von ihnen hat es nötig, sich einen Ghettoslang zuzulegen. Lassen wir ihm mal seine Meinung über Homosexualität und Abtreibung … Aber mal davon abgesehen ist es eine Schande, dass ein Vorbild für Jugendliche und Erwachsene ohne Konsequenzen für den eigenen Ruf Paparazzi verprügeln darf. Es ist eine Unerhörtheit, dass der liebe Justin seine Verantwortung, die er für seine Fans trägt, komplett missachtet. Britney Spears und Lindsey Lohan müssen sich eine Predigt über ihr unmoralisches Verhalten anhören, aber der kanadische Teeniestar wird außen vor gelassen. Ich bin weder Fan seiner Musik noch Anhänger seiner Person. Ich halte den Hype um seine Person für übertrieben und fände es unmöglich, wenn mein Idol andere Menschen missachtet.