kritik der woche
: Werder-HSV: Prima leben und bewahren

Was passiert also, wenn die stärkste Abwehr der Liga auf den erfolgreichsten Sturm trifft? Wenn der Hamburger SV bei seinem Schnitt von 0,5 Gegentoren pro Bundesligaspiel bleiben will, während Werder Bremen durchschnittlich 2,81 Tore pro Liga-Spiel schießt? Ein Nullsummenspiel? Irgendwie schon: Man einigte sich am Sonntag im ausverkauften Weser-Stadion auf ein 1:1 und gab damit Massen von Experten recht, die genau dieses Ergebnis getippt hatten. Klingt langweilig. War‘s aber nicht, denn in diesem Fall hätte es tatsächlich auch anders kommen können.

„Im Prinzip“ hätte Werder nach der 1. Halbzeit 4:0 führen müssen, sagt Werder-Trainer Thomas Schaaf und hat recht. Da sind die etlichen kleinen Fouls der Hamburger, die zu großen Chancen für Bremen führen: Was Werder aus den ständigen Freistößen macht, ist hervorragend, scheitert aber entweder am Pfosten oder an Hamburgs Torhüter Sascha Kirschstein.

Wobei Werder nicht zu harmlos, sondern Kirschstein zu gut ist – abgesehen von dem Patzer, Miroslav Klose im Strafraum unnötig zu foulen (38.). Kirschstein aber hält den schwachen Elfmeter von Johan Micoud. Dem HSV gelingt danach der erste ausgespielte Angriff. Und Werder der Führungstreffer: Micoud verwandelt einen Freistoß von der Strafraumgrenze traumhaft direkt (45.).

Zumachen aber konnten die Bremer den Sack, von dem Werder-Trainer Schaaf nach dem Spiel sprach, nicht. Der HSV dagegen dreht nach der Pause auf, ist mit einem mal präsent, und das auch durch die Entscheidung, die Stürmer Mustafa Kucukovic und Naohiro Takahara einzuwechseln. Der Ausgleich ist hart erarbeitet und glücklich: Kucukovic steht abseits, als er den Ball in der 67. Minute aus fünf Metern an Bremens Torhüter Reinke vorbeispitzelt. Der Treffer zählt.

Mit dem Ergebnis könne er „sehr, sehr gut leben“, sagt Hamburgs Trainer Thomas Doll. „Wir haben uns in der Pause erinnert an die vergangene Saison und waren dann wieder im Spiel drin.“ Der HSV hat im zweiten Durchgang Kampfgeist und Moral bewiesen, nachdem Werder in der ersten Halbzeit durch Entschlossenheit und Spielstärke klar vorne war: insgesamt ein niveauvolles und äußerst kurzweiliges Derby. Einziges Manko: das Ergebnis. Denn das nutzt nur den Bayern.

Für HSV-Trainer Doll bedeutet der 2. Tabellenplatz zur Winterpause ein „traumhaftes Ergebnis“ und sein bescheidener Plan im Bezug auf Tabellenführer Bayern München ist: „Wir sollten nicht nach oben schauen. Jetzt gibt es andere, die uns jagen. Da sollten wir hinschauen.“ Werder dagegen setzt sich auf Platz drei fest und wurde am Sonntag einmal mehr konfrontiert mit einem Problem, das sich durch die gesamte Vorrunde zieht: Gut gespielt, Tore geschossen – aber nicht gewonnen. Klaus Irler

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