Kartellamt ermittelt wegen Gaspreisen

Fünf niedersächsische Stadtwerke im Verdacht ungerechtfertigter Teuerungen. Unmut über steigende Tarife wächst

BERLIN taz ■ Missbrauchsvorwurf in Sachen Gaspreis: Niedersachsens Kartellamt ermittelt gegen die Stadtwerke von Hannover, Garbsen, Uelzen, Böhmetal und Bramsche. Deren Gas ist um die Hälfte teurer als Gas des bundesweit günstigsten Anbieters. „In den nächsten Wochen müssen die Unternehmen ihre Preiskalkulation offen legen“, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP). Anfang Januar soll entschieden werden, ob ein Verfahren eingeleitet wird.

Wie beim Strom – landesweit soll auch der Gaspreis vielerorts zum Jahreswechsel steigen. 700 Anbieter unterschiedlichster Größe agieren auf dem deutschen Markt. Für die Genehmigung ihrer Preise sind drei Stellen zuständig: Die Bundesnetzagentur – gegründet im Juni auf Grundlage des neuen Energiewirtschaftsgesetzes – prüft alle Kosten, die beim Gastransport entstehen, etwa 30 Prozent des Endpreises. Das Bundeskartellamt prüft jene Kosten, die durch Lieferverträge anfallen. „Beispielsweise haben wir gerade Eon abgemahnt, weil deren Langfristverträge den Wettbewerb behindern“, so Kartellamtssprecherin Irene Sebczyk. Drittens prüfen Landesbehörden den Endpreis. Die niedersächsische prüfte 63 Anbieter. Auffällig waren dabei zum Beispiel die Stadtwerke Hannover. Privatkunden müssen pro Kilowattstunde 5 Cent zahlen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Gaswirtschaft liegt der Durchschnittspreis bei 3,3 Cent. „Erstens kann man das nicht vergleichen“, so Stadtwerke-Sprecherin Brigitte Neumann. Der 5-Cent-Preis gelte für Privatkunden, die Industrie habe günstigere Tarife. „Zweitens haben wir eine andere Preispolitik“, so Neumann. Anders nämlich als bei vielen Konkurrenten bleibt der Gaspreis in Hannover jetzt konstant.

Das Statistische Bundesamt hat gestern jedenfalls ermittelt, dass die Gaspreise in den letzten fünf Jahren um knapp 44 Prozent gestiegen sind – zum Unmut der 17 Millionen deutschen Privatkunden. „Und das, obwohl die Gasimportpreise deutlich geringer gestiegen sind“, klagt Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Dessen Forderung: „Die Gaspreise müssen generell um 20 Prozent sinken.“ Der Bund fordert Gaskunden auf, sich gegen die Steigerungen zu wehren – die Rechnung einfach nicht zu zahlen. „Wichtig ist, den Gasversorger schriftlich vom Boykott zu informieren“, so Peters, der auf einen juristischen Musterbrief verweist (www.energieverbraucherbund.de).

Marian Rappl vom Bundesverband der Gaswirtschaft verteidigt dagegen die Firmen: „Der wesentliche Index für die Preissteigerungen – der so genannte Grenzübergangswert – ist um 60 Prozent seit Januar 2004 gestiegen.“ Die Preissteigerungen seien also „moderat“.

Immerhin zeigen die Boykotte erste Wirkung: Eine Umfrage unter 500 Gasverbrauchern ergab, dass 60 Prozent aller privaten Abnehmer die steigenden Gaspreise für „überhaupt nicht gerechtfertigt“ halten. Aribert Peters behauptet, dass eine halbe Million Kunden ihre Rechnung nicht bezahlen. Der Bundesverband der Gaswirtschaft räumt immerhin 20.000 Verweigerer ein. „Fakt ist, dass wir das spüren“, sagt Hannovers Stadtwerke-Sprecherin Neumann.

ARNULF WIESCHALLA, NICK REIMER