Endlich Frauen im Angriff

BIKE POLO Hierzulande ist Radpolo noch ein Nischensport – und Frauen spielen darin auch noch eine Nebenrolle. Das Bike-Polo-Damenturnier „Mallet Dolorosa“ am Wochenende sollte das ändern

■ Cycle Polo heißt das historische Vorbild für die Trendsportart Bike Polo. Während Letztere angeblich im Jahr 2007 von gelangweilten Fahrradkurieren in Seattle erfunden wurde, spielte man Cycle Polo bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Irland – allerdings auf Rasen und mit nur zwei statt drei Spielern pro Team.

■ Bike Polo wird in rund 30 Ländern weltweit gespielt – vor allem in Großbritannien, Indien und den USA. Seit 2009 gibt es regelmäßig Welt- und Europameisterschaften, die von den SpielerInnen in Eigenregie ausgerichtet werden. Verbände gibt es bislang nicht.

■ In Berlin trifft sich die noch kleine Bike-Polo-Szene derzeit immer mittwochs um 18.30 Uhr und sonntags um 14 Uhr zum freien Spiel im Poststadion an der Lehrter Straße: mehr unter berlin-bikepolo.de. (akl)

Blitzschnell passen sich die beiden Radfahrerinnen den kleinen grünen Kunststoffball zu und rasen auf das Tor am Ende des Spielfelds zu, eine Hand fest am Lenker, die andere am Poloschläger. Eine plötzliche Bremsung, ein schneller Antritt, zwei Schläger hakeln heftig miteinander um den Streethockeyball, ein kräftiger Schlag: Tor.

Bike Polo ist schnell – und nichts für Zimperliche. „Man darf jedenfalls keine Angst vorm Hinfallen haben“, sagt Angie („Vorname reicht“) von der SpielerInnen-Gemeinschaft Berlin Bike Polo. Sie ist eine der drei Organisatorinnen des Radpoloturniers mit dem sprechenden Titel Mallet Dolorosa (in etwa „Schläger des Schmerzes“), des ersten in Berlin, bei dem ausschließlich Frauen zugelassen waren. 42 Spielerinnen, ungefähr die Hälfte aus Deutschland, die anderen aus England, Frankreich, Polen und den USA, fuhren am Wochenende im Moabiter Poststadion an der Lehrter Straße ihre Siegerin aus.

Wer das am Ende sein würde, war während der sieben Vorrundenläufe am Samstag – zwei Dreierteams traten in rotierender Besetzung („Shuffle Tournament“) für je zehn Spielminuten gegeneinander an – eher nebensächlich. „Wir müssen mal schauen, wie wir das mit den Finalläufen regeln, keine Ahnung, ist noch nichts geplant“, sagt Angie. „Hier geht es vor allem auch um den Spaß, dass man zusammenkommt und sich austauscht – deshalb machen wir ja auch kein klassisches Punktespiel mit festen Mannschaften, sondern haben das Shuffle-Prinzip.“

Von fixen Regeln hält man beim Bike Polo ohnehin nicht viel – Radpolo ist im Zweifel eben ein bisschen mehr Szene als professionelle Sportdisziplin. Feste Wettkampfregeln gibt es genauso wenig wie Vorgaben zu Kleidung, Schutzausrüstung oder Material: viele fuhren am Samstag einfach in Jeans auf herkömmlichen Rennrädern und mit selbst gebastelten Schlägern aus Metallstange plus Hartgummikopf. Als Kopfschutz taugte den meisten – „die haben allerdings noch keinen Ball ins Gesicht bekommen“, meint Angie – ein herkömmlicher Fahrradhelm, andere hatten immerhin Eishockeyhelme mit Gesichtsschutz dabei. Spielfeld- und Torgröße variierten von Turnier zu Turnier, sagt Angie. Am Wochenende wurde jedenfalls auf einer Betonfläche gespielt, eigentlich einem Feld für Rollhockey von 20 mal 40 Metern. Und das Tor – „na ja, vielleicht eine Fahrradlänge“, schätzt Angie mit Blick auf die etwa kniehohe Miniaturausgabe eines Fußballtores.

Genau da hinein hat Zsofia Bundai vor ein paar Minuten den kleinen grünen Ball befördert. Jetzt hat die Ungarin Pause, dreht sich am Spielfeldrand eine Zigarette und freut sich, „dass man hier als Frau endlich mal im Angriff spielen kann“. Bike Polo wird eigentlich in gemischten Dreier-Teams gespielt, zwei verteidigen das eigene Tor, einer spielt aufs gegnerische – „und meistens übernimmt diesen Part tatsächlich ein männlicher Spieler“, so Bundai. Die Hamburger Spielerin Bianca Remer findet das nicht in Ordnung: „Männer und Frauen spielen gar nicht sehr unterschiedlich – es gibt so viele Frauen, die richtig aggressiv rangehen.“

„In Berlin ist es oft ein Problem, sechs Leute für ein Training zusammenzukriegen“

Radpolo-Spielerin Bianca Remer

Jedenfalls ist Radpolo bislang ein männerdominierter Sport. In Berlin sind nur vier von insgesamt 25 aktiven FahrerInnen Frauen, auf etwa 30 zu 70 schätzt Angie das Verhältnis von Frauen zu Männern auf den Turnieren in Deutschland, die regelmäßig von SpielerInnen in Eigenregie organisiert werden – Verbandsstrukturen gibt es ebenso wenig wie einen Ligabetrieb. Dass man nun ein reines Frauenturnier veranstalte, sei auch als Statement zu verstehen: „Bei einigen gibt es sicherlich das Klischee im Kopf, dass Bike Polo ein untypischer Sport für Frauen ist – es ist ein Kontaktsport, man macht sich dreckig, man muss Biss zeigen.“ Mallet Dolorosa solle zeigen: Typisch männlich, typisch weiblich, „diese Kategorien sind Quatsch – wir können mehr als Pumps“, findet Angie.

Eine schöne Idee, die nur leider kaum jemand mitbekommen haben dürfte. Am Samstag verteilten sich außer den pausierenden Spielerinnen nur eine Handvoll Zuschauer um das Spielfeld. Bike Polo wird in Deutschland als Sport noch kaum wahrgenommen, anders als in den USA oder in Großbritannien, wo die Szene wesentlich größer ist. „Ich habe eine Zeit lang in London gelebt, da hätte ich jeden Tag spielen können – hier ist es oft ein Problem, sechs Leute für ein Training zusammenzubekommen“, sagt Bianca Remer etwas außer Atem. Gerade hat sie mit ihrem Team Vorrunde Nummer vier gewonnen, nun wischt sie sich eine Haarsträhne aus der verschwitzten Stirn und seufzt. Ganz schön kaputt sei sie, aber am liebsten würde sie trotzdem gleich weiterspielen. Zimperlich ist sie definitiv nicht.