DIE DREI FRAGEZEICHEN
: „Berg für jedermann“

ZU EINFACH? Um Bergsteiger-Staus am Nadelöhr in der Todeszone zu entschärfen, soll eine Leiter an einer Stelle des Mount Everest angebracht werden

taz: Herr Messner, geht mit der neuen Leiter zur Entschärfung der Engstelle am „Hillary Step“ eine „Banalisierung“ des Mount Everest einher?

Reinhold Messner: Anders gesagt findet am Everest eine Sozialisierung statt, der Berg wird ein Platz für jedermann. Die Leiter am „Hillary Step“ ist nicht die letzte Errungenschaft – es werden weitere Hilfsmittel folgen. Noch mehr Menschen, auch Behinderte oder Kinder, denen ich den Berg gönne, wird der Aufstieg zugänglich gemacht. Das ist gleichzeitig eine Banalisierung. Ich bin ein Beobachter, nicht jemand, der zwischen Gut und Böse unterscheidet.

Als Grenzgänger ist es für Sie wichtig, Ihre eigenen Grenzen zu kennen. Würden Sie den Menschen, die nicht im alpinen Stil mit vielen technischen Hilfsmitteln klettern, vorwerfen, dies nicht zu tun?

Meine Philosophie ist, wir müssen nicht auf die Berge, aber wenn, dann aus eigener Kraft. So eine Selbstbeschränkung findet nicht mehr statt. Das ist eine elitäre Haltung, das gebe ich zu – die Sozialisierung macht die Berge kaputt. Das ist eine Tatsache, nicht schlecht oder gut.

Mit über 200 Toten steht der Mount Everest auch auf Platz eins der Bergunglücks-Liste.

Die meisten Bergunfälle passieren wegen falscher Selbsteinschätzung. Wenn die Selbsteinschätzung richtig wäre, gäbe es am „Hillary Step“ keinen Stau. Wenn vorher keine Seile wären, auch nicht. Oder man bringt eine Ampel an, die den Engpass regelt. Das ist dort eh keine Wildnis, das ist Zivilisation.

INTERVIEW: MARLENE STAIB

■ Reinhold Messner, geboren 1944, ist Bergsteiger und der erste Mensch, der den Mount Everest ohne Sauerstoffflasche bezwang