„Nach den Wahlen gibt es wieder Chaos“

Der kongolesische Priester Achille Mutombo über das Verfassungsreferendum in seinem Land und die Folgen

taz: Es sieht so aus, dass die Wähler in der Demokratischen Republik Kongo für die neue Verfassung gestimmt haben, die den Weg zu freien Wahlen 2006 ebnet. Ist das ein Fortschritt Richtung Demokratie?

Achille Mutombo: Es war eine Gelegenheit für die Bevölkerung, sich bewusster zu werden, wie sie manipuliert werden kann. Wenn es in sechs Monaten Wahlen gibt, wird es viel schwieriger sein, die Bevölkerung zu manipulieren.

Was für Manipulation?

Die Bevölkerung wusste nicht, worum es ging. Es hat vier Versionen der Verfassung gegeben, das Amtsblatt der Regierung hat innerhalb von zehn Tagen zwei verschiedene veröffentlicht. Worüber sollten die Leute also abstimmen? Und einige Politiker aus dem Westen haben den Kongolesen gesagt: Wenn sie nicht mit Ja stimmen, wird es kein Geld vom Ausland mehr geben.

Die Verfassung ist aber inhaltlich nicht schlecht, mit der Dezentralisierung …

Die Dezentralisierung haben wir schon vor 13 Jahren besprochen, bei der Souveränen Nationalkonferenz (politische Reformkonferenz im damaligen Zaire, die Wahlen vorbereiten sollte und schließlich von Diktator Mobutu aufgelöst wurde – d. Red.). Die Nationalkonferenz hat eine Verfassung geschrieben, und die hätte man jetzt dem Volk vorlegen können. Es geht nicht um Dezentralisierung, sondern um andere Probleme: die Nationalitätenfrage – ein großes Problem vor allem im Osten; die Souveränität über das gesamte Territorium; und die Machtaufteilung zwischen Premierminister und Präsident.

Wird Kongo nach den Wahlen eine stabile Demokratie?

Ich habe den Eindruck, dass im Westen die Meinung vertreten wird, man muss unbedingt Wahlen machen, damit einige Politiker nicht ihr Gesicht verlieren. Sie sagen: Wahlen, egal wie, dann haben wir unsere Aufgabe gemacht, und was dann passiert, ist egal. Aber wenn man die Probleme nicht löst, gibt es hinterher wieder Chaos.

Welche Probleme?

Die, die ich genannt habe, und dann auch: Wenn die jetzigen Machthaber die Wahlen verlieren – hat eine gewählte Regierung das Recht, sie vor Gericht zu stellen? Sie haben sich schamlos bereichert, sie schließen Verträge mit Firmen ab, die Mineralien ausbeuten – wie wird eine Regierung, die durch Wahlen legitimiert ist, das stoppen können?

Was raten Sie der internationalen Gemeinschaft für die nächsten sechs Monate?

Sie soll aufhören, sich einzumischen. Das kongolesische Volk ist wach und in der Lage, sich selbst zu organisieren.

Aber ohne internationale Einmischung machen die Warlords, was sie wollen …

Nein! Das internationale Geld bereichert ja gerade diese Leute. Sie haben die Waffen, die Bevölkerung ist unbewaffnet. Sie sollen die Waffen abgeben.

Dafür braucht man mehr Druck von außen.

Diesen Druck könnte die internationale Gemeinschaft schon jetzt ausüben. Wieso tut sie es nicht?

INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON