Auch Bundeswehr ermittelt verdeckt

Deutsche Soldaten gaben sich in Bosnien als Journalisten aus, um Guantánamo-Angehörige zu befragen. Dabei darf nicht mal der militärische Geheimdienst auf eigene Faust ermitteln. Hat die Bundeswehr für diese Fälle eine Spezialeinheit gebildet?

AUS BERLIN DAVID DENK

Anela Kobilica ist Medienprofi wider Willen. Weil ihr Mann in einem US-Gefangenenlager auf Guantánamo schwer erreichbar ist, versuchen die Medien über sie Informationen einzuholen. Deswegen schöpfte Kobilica keinen Verdacht, als sie im Juli 2003 in ihrem bosnischen Dorf Besuch von zwei Deutschen bekam, die sich als Journalisten vorstellten. Die Herren interviewten sie, sahen sich Dokumente an und machten Fotos von ihr und ihren beiden Töchtern. Nun stellt sich heraus: Die mysteriösen Besucher recherchierten nicht für Medien – sondern für die Bundeswehr. Es waren Soldaten in Zivil, die Anela Kobilica besuchten und belogen.

Nun hat die Bundeswehr das gleiche Problem wie die halbe Bundesregierung. Sie muss untersuchen, warum ihre Stellen sich ungesetzlicher Untersuchungsmethoden befleißigen. Das Bundesverteidigungsministerium hat bereits interne Ermittlungen aufgenommen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte der taz, Soldaten hätten in Uniform aufzutreten, „um die Zugehörigkeit zur Bundeswehr deutlich zu machen“. Das Auftreten in einer Scheinidentität sie nicht vorgesehen.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, wollte den Fall nicht im Detail bewerten. Trotzdem machte er seinem Ärger Luft: „Nach dem bisher Bekannten ist das Vorgehen mit Gesetzen und Dienstvorschriften nicht in Einklang zu bringen.“

Ein erst 2004 verabschiedetes Gesetz verbietet es sogar dem Militärischen Abschirmdienst, auf eigene Faust zu ermitteln: „Ist die Sammlung von Informationen (…) erforderlich, ersucht der MAD den Bundesnachrichtendienst um entsprechende Maßnahmen.“

Nach Informationen des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, gehören die beschuldigten Soldaten allerdings gar nicht zum MAD, sondern zu einer „neuen Feldnachrichtentruppe, die Befragungen in der Zivilbevölkerung durchführt“. Dabei handele es sich „in der Regel um Migrantenkinder, die die Landessprache perfekt beherrschen“. Diese hätten jedoch keine nachrichtendienstlichen Aufgaben, sagte Arnold der taz.

Sein Grünen-Kollege Winfried Nachtwei wurde deutlicher: „Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, ist das nicht nur ein Regelverstoß, sondern eine Beschädigung des gesamten Bundeswehrauftrags in Bosnien.“ Ein solches Vorgehen laufe dem Aufbau eines Rechtsstaats diametral entgegen. „Außerdem untergräbt es die Glaubwürdigkeit einer freien Presse.“

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken, geht weiter. Er sagt, dass die Bundeswehr mit getarntem Auftreten „die Sicherheit von Journalisten in Krisengebieten gefährdet“. Damit setze die Truppe die Unabhängigkeit von Journalisten aufs Spiel – und erhöhe die Gefahr, dass die Berichterstatter in Krisengebieten zu Zielscheiben würden.