„Unsere Prognosen sind eher düster“

Das auf Südostasien spezialisierte Reisebuch-Autorenpaar Stefan und Renate Loose über den Wiederaufbau von Koh Phi Phi, über die neuen Traveller und die neuen Umweltsünden nach der Tsunami-Katastrophe

taz: Woran denken Sie beim Stichwort Koh Phi Phi?

Renate Loose: Der Tsunami hatte dort leider sehr viele Opfer gefordert, aber auch ein Urlaubsparadies zerstört, das schon längst keines mehr gewesen ist. Denn der Massentourismus hatte die zentrale Bucht bereits in ein ökologisches Katastrophengebiet verwandelt. Die Flutwellen hatten alles hinweggefegt und die Chance für einen Neubeginn geboten. Das haben wir aber offensichtlich vertan.

Empfinden Sie als Reisebuchautoren eine Form der Mitverantwortung für die Auswüchse?

Stephan Loose: Nein! Denn als Reiseführer-Autor kann man die Entwicklung zwar mit beeinflussen, aber letzten Endes nicht steuern! Wenn die Belastungsgrenze einer Destination erreicht ist, fängt doch der Profit meist erst richtig an: Sobald der Tourismus in einer Region die wichtigste Einkommensquelle geworden, geht meist jegliche Einflussmöglichkeit verloren. Wer sollte denn da noch Einhalt gebieten können? Obwohl wir die schlimmen Zustände auf Koh Phi Phi immer drastischer beschrieben haben, sind unsere Leser trotzdem hingefahren.

Wäre es dann nicht sinnvoller, dem Leser gewisse Ziele vorzuenthalten?

Renate Loose: Wir haben uns immer wieder bewusst verkniffen, über bestimmte Dinge zu schreiben, wenn es die lokalen Verhältnisse unserer Einschätzung nach nicht vertragen hätte.

Gelten Rucksackreisende – wie sie einst auch Koh Phi Phi für die Welt entdeckt haben – heute noch immer als touristische Pfadfinder?

Stephan Loose: Der typische Backpacker gehört inzwischen zur aussterbenden Spezies. Heutzutage sind die Leute bequem geworden und wollen gnadenlos Spaß haben. Für die meisten ist die Welt doch nur noch ein großer Vergnügungspark.

Was meinen Sie zum Stand der Dinge auf Koh Phi Phi?

Stephan Loose: Unsere Prognosen sind eher düster. Die meisten bisherigen Aufbaupläne sehen vor, die touristischen Strukturen komplett wieder aufzubauen. Einige wollen am Strand sogar eine hohe Schutzmauer gegen Flutwellen errichten! Dann könnte die Tourismusindustrie diese leidgeprüfte Insel immerhin einmal mehr als optimales Paradebeispiel für die Zerstörung unserer Welt vermarkten.

Wo liegt das Problem?

Renate Loose: Wenn in den zerstörten Urlaubsgebieten der Wiederaufbau allein nach ökonomischen Gesichtspunkten erfolgt, wird eine weitere von Menschen herbeigeführte Katastrophe folgen. Gerade durch unsere mehrmonatigen Reisen durch Indien haben wir intensive, spirituelle Erfahrungen sammeln dürfen, die uns für viele Dinge die Augen geöffnet haben. Wieso glauben wir Menschen eigentlich immer, alle Probleme mit technischen Mitteln lösen zu können? Der Tsunami sollte uns eigentlich eines Besseren belehrt haben.

Was hätten Sie denn für Koh Phi Phi vorgeschlagen?

Renate Loose: Wenn überhaupt, dann sollte der Wiederaufbau nur ganz behutsam erfolgen, indem man aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und die Natur wieder zu ihrem Recht kommen lässt. Die massiven Wasserprobleme sollten von vornherein vermieden werden, indem die Bebauung der zentralen Bucht auf eine Infrastruktur begrenzt bleibt, die nur noch Tagesbesucher zulässt. Plastik, Styropor und anderen Wegwerfmüll sollten gar nicht erst auf die Insel gelassen werden.

Ist das für Thailand-Spezialisten nicht etwas zu utopisch gedacht?

Stephan Loose: Auch wenn wir nur wenig Hoffnung haben, noch besteht die Chance, ein Naturparadies zu retten. Prinzipiell sollten wir so mit unseren Ressourcen umgehen, dass die Natur zu ihrem Recht kommt. Sonst könnte es passieren, dass die Gottheit Schiwa den Tanz der Zerstörung noch öfter tanzen wird.

INTERVIEW: VOLKER KLINKMÜLLER

Als vor rund drei Jahrzehnten die erste Welle der Rucksacktouristen in den Süden Thailands schwappte, war der Berliner Stefan Loose (58) schon ein leidenschaftlicher Insider. Der angehende Lehrer machte seine Reiselust zum Beruf und verfasste die ersten deutschsprachigen Traveller-Handbücher für die Region. Obwohl der Verlag vor einigen Jahren verkauft wurde, recherchiert er immer noch mit seiner Ehefrau Renate (52) die orangefarbenen „Südostasien-Bibeln“