„Den Kampf aufgenommen“

THERAPIE 20 Jahre lang war der Hamburger Walter Schuster Ausdauersportler, dann erkrankte er an Leukämie – und kämpfte sich über den Sport zurück ins Leben

■ 60, betreibt seit 20 Jahren Ausdauersport und ist Mitglied der Senioren-Nationalmannschaft im Triathlon. Der Hamburger führt zusammen mit seiner Ehefrau das älteste Sportfachgeschäft der Stadt.

INTERVIEW KATHARINA GIPP

taz: Herr Schuster, wie haben Sie von Ihrer Krebserkrankung erfahren?

Walter Schuster: Urplötzlich. Im Januar 2010 habe ich noch Skiurlaub gemacht, hatte überhaupt keine Probleme. Im Februar habe ich plötzlich unglaubliche Rückenschmerzen und Atemnot bekommen. Nach mehreren Tagen in der Notaufnahme hatte ich die Diagnose: Leukämie.

Wann wurde Ihnen die Schwere Ihrer Erkrankung bewusst?

Es war nicht so, dass ich gedacht habe: Oh Gott, Tod! Ich wollte nur noch diese Schmerzen loswerden. Im Endeffekt war die Diagnose sogar beruhigend, weil meine Beschwerden einen Namen hatten und ich wusste, dass es Ärzte gibt, die sich um mich kümmern würden.

Hat Ihnen die Diagnose keine Angst gemacht?

Sicherlich habe ich damals auch einen Großteil nicht realisiert und fühlte mich in den ersten beiden Wochen wie in Watte gepackt. Für die Angehörigen ist es weitaus schlimmer. Als ich wusste, wie die Behandlung aussehen würde, war ich bereit, den Kampf aufzunehmen. Als Sportler war ich es gewohnt, zu kämpfen.

Sie haben über Ihre Erlebnisse während der Therapie einen Blog geschrieben. Wieso?

Als Leukämie-Patient ist man in Einzelhaft. Ich hatte ein Einzelzimmer und die Auflage, so wenig Kontakt wie möglich zu haben. Gerade nach der Verabreichung der Chemo-Dosen ist man höchstgradig anfällig für Infektionen. Ich musste Mundschutz und Handschuhe tragen. Außer der engsten Familie durfte niemand mein Zimmer betreten. Ich habe dann beschlossen, in einem Blog Tagebuch zu führen, um mich mitzuteilen und abzureagieren.

Sie sind Mitglied der deutschen Triathlon-Senioren-Nationalmannschaft. Was konnte Ihr Sport zu Ihrer Genesung beitragen?

Ich habe mich während der Zeit im Krankenhaus so oft wie möglich bewegt, war immer mit Infusionsständer, bunter Trainingshose und Mütze an der frischen Luft. Ich habe das regelrecht kultiviert. Für mich war es aber immer ein Kampf. Es ist leichter, liegen zu bleiben, wenn man sich schlapp fühlt. Aber selbst, wenn mir die Ärzte verboten hatten, mein Zimmer zu verlassen, bin ich aufgestanden.

Was bedeutet Ihnen Ihr Sport?

Er hat mir gezeigt, dass ich nicht allein bin auf dieser Welt. Ich trainiere im Verein Schwimmen, ich trainiere mit einer Laufgruppe. Das ist ein unglaubliches Gefühl, wenn die sagen, sie brauchen mich. Heute kann ich wieder Sport machen. Das ist mir auch wichtig. Ich wollte mir beweisen, dass ich wieder belastbar bin und wollte das Vertrauen in meinen Körper zurückgewinnen. Das hatte ich bei meiner Krebsdiagnose verloren. Ich mache wieder Triathlon. Wenn alles gut geht, bekomme ich einen Startplatz bei der Weltmeisterschaft im September in London.

Sie wurden im September 2010 als offiziell geheilt aus dem Krankenhaus entlassen. Wie hat sich Ihr Leben geändert?

Meine Frau und ich betreiben noch immer unser Sportgeschäft, doch mittlerweile haben wir alles so berechnet, dass wir uns jederzeit herausziehen können. Der Laden ist wichtig, weil wir davon leben, aber er spielt nicht mehr die erste Geige. Jetzt gehen wir auch mal zwischendurch raus an die Alster und trinken einen Kaffee. Das hätte ich vor der Krankheit nicht gemacht.

Buchvorstellung: Walter Schuster, „Walter gibt nicht auf! Vom Krebs zurück zum Triathlon“; Sonntag, im Museum Elbinsel in Hamburg-Wilhelmsburg, 11 bis 17 Uhr