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: GESA SCHOELGENS über die Dortmunder Selbstkehrer

38 Siedlergemeinschaften sind auf den Barrikaden. Die Dortmunder möchten selbst vor ihrer Haustür fegen. So wie sie es seit Jahren tun. In den Gemeinschaften sind insgesamt 2.500 Familien organisiert, die an so genannten Anliegerstraßen leben und sich bisher selbst darum gekümmert haben, dass vor ihren Grundstücken alles piccobello ist. Nur der Stadt Dortmund war das offenbar nicht professionell genug. Mitte Dezember hat der Stadtrat die private Straßenreinigung verboten. Ab Januar soll die städtische Entsorgertochter EDG (Entsorgung Dortmund GmbH) den Kehrdienst in den Nebenstraßen übernehmen.

Für die Anlieger ist das eine Revolution von oben. Einige der Siedlergemeinschaften schwingen schon seit Jahrzehnten selbst den Besen – und sparen so jährlich bis zu 180 Euro Gebühren pro Familie. „Für die Bewohner ist das viel Geld. Sie verfügen meist nur über ein kleines Kapital und verzichten sogar auf Urlaub, um ihre Häuser zu finanzieren. Vor allem die RentnerInnen haben kein Geld, um die Gebühren zahlen zu können“, sagt Hans-Michael Schiller, der Vorsitzende des Kreissiedlerbundes. Und sie haben kein Vertrauen in die EDG.

Die Siedler sind „sauberer und gründlicher als das Entsorgungsunternehmen“, sagt Schiller. „Die EDG-Maschinen fahren einmal durch, und der Dreck bleibt trotzdem liegen“. Viele Siedlergemeinschaften beschwerten sich über mangelnde Sauberkeit, etwa wenn sich Laub unter den parkenden Autos ansammelt. „Wird selbst gereinigt, wartet man einfach, bis der Nachbar sein Auto weggefahren hat“, so Schiller. Auch die Solidarität unter den Putzgemeinschaften sei groß: „Einer hilft dem anderen aus. Es gibt genau geregelte Wochen-, Urlaubs- und Krankheitsvertretungspläne. Für die älteren Leute fegen die Nachbarn mit.“

Stadt und EDG dagegen sehen heute keinen Bedarf mehr für das Fegen auf eigene Faust: Früher kamen die städtischen Kehrmaschinen nicht in die kleinen Straßen hinein – dank der „kleineren und schnittigeren EDG-Maschinen“ könnten nun auch schmale Gässchen geschrubbt werden, so Hans-Joachim Skupsch, Sprecher der Stadt.

Viele Bürger hätten zudem ihre Selbstkehrerlaubnis zurückgegeben. „Vor allem älteren Menschen fehlt oft die Kraft zum Fegen“, sagt er. Laut EDG-Sprecherin Petra Hartmann werden 140 Kilometer Straße in Eigenregie geputzt. „Die Privatkehrer beteiligen sich aber nicht an den Kosten für die Reinigung der übrigen Straßen, der Innenstadt und der Fußgängerzone oder nach Veranstaltungen“, sagt Hartmann. Durch die zusätzlichen Gebührenzahler werde es zudem für alle Dortmunder ab 2006 um sechs Prozent billiger.

Der Kreissiedlerbund und der Bund der Steuerzahler NRW kritisieren dennoch das rigorose Vorgehen: „Es gibt in NRW keine andere Stadt oder Kommune, die die private Reinigung soweit zurückgefahren hat“, sagt Schiller. Die Bürger wollen sich die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen lassen und nun mit Musterklagen Rechtssicherheit schaffen, sobald sie Ende Januar die ersten Gebührenbescheide in der Hand halten.

„Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster hätte sogar bundesweit Bedeutung“, so Schiller. Bis dahin könnte es allerdings zwei, drei Jahre dauern – und die Dortmunder Familien müssen trotzdem Reinigungsgebühren zahlen.