Nachhilfe für pissende Szenetypen

„Voll die Latte – Acki sein Fußballtagebuch“ erzählt die Geschichte eines HSV-Fans mit der pädagogischen Mission, der Stadt zu beweisen, dass nicht nur St. Pauli-Fans cool sein dürfen

„In der Bundesliga läuft es im Moment überhaupt nicht gut für HSV. Und heute regnet und regnet und regnet es und es sind mal wieder nur 14.000 Zuschauer da und das gegen Werder“

Im Konkurrenzkampf auf dem Markt der Fußballmagazine, der in den letzten Monaten nach dem Start der in Hamburg produzierten Blätter Rund und Player entstanden ist, mussten sich die etablierten 11 Freunde etwas einfallen lassen. Und so suchten sich die Berliner ausgerechnet in der Stadt ihrer neuen Wettbewerber einen Partner. Mit Hilfe des in der Innenstadt ansässigen Europa-Verlags diversifiziert das Magazin nun seine Marke. Das Ergebnis der Kooperation ist die Edition 11 Freunde – und Axel Formeseyns 183-Seiten-Band Voll die Latte, der im Untertitel „Acki sein Fußballtagebuch“ heißt, ist bisher das mit Abstand beste Produkt aus dieser Reihe.

Lehrer mit Kindskopf

Wie einem der Fußball, das heißt, in diesem Fall der HSV, dabei hilft, sich zu formen, und wie das Fanleben den Rest des Lebens beeinflusst, nicht zuletzt die Beziehungen zu Frauen – davon erzählt der in Nordfriesland aufgewachsene und nunmehr in Altona lebende Formeseyn. Der Verlag erwähnt im Klappentext als Bezugspunkt unter anderem Nick Hornby, damit der Leser auch ja gleich weiß, wo es langgeht, aber das ist billiges Namedropping. Interessant ist allenfalls die Gemeinsamkeit, dass Formeseyn Lehrer ist und Hornby zeitweilig in diesem Job gearbeitet hat. Pädagogische Fähigkeiten und eine gewisse Kindsköpfigkeit (die man braucht, um Fußballfan zu sein) schließen einander offensichtlich nicht aus. Zum Glück. Es gibt im Buch eine Szene, in der Formeseyn – oder die literarische Figur „Acki“ – auf eine Klotür in der Ottenser Bar „Aurel“ Pro-HSV-Anti-St.-Pauli-Parolen kritzelt, damit „die ganzen Szenetypen, die da ihren Caipirinha rauspissen, mal was zum Nachdenken haben“.

Grauer HSV

Was die regionale Fanhistorie betrifft, ist dieses Buch anregend, weil es daran erinnert, wie relativ frisch der Zuschauerboom ist, den der HSV heute genießt. Beziehungsweise: den HSV heute genießt, wie der Autor schreiben würde, denn sein Verein kommt bei ihm immer ohne Artikel vor. Über einen Besuch im Volkspark im Herbst 1989 – „Acki“ ist damals 17, seine Mutter fährt ihn mit dem Auto zum Spiel – schreibt Formeseyn jedenfalls: „In der Bundesliga läuft es im Moment überhaupt nicht gut für HSV. Und heute regnet und regnet und regnet es und es sind mal wieder nur 14.000 Zuschauer da und das gegen Werder.“ Mittlerweile unvorstellbar.

Nordfriesen-Hools

Man erfährt im Übrigen auch einiges über Pitch Invasions bei Spielen des TSV Nordstrand („Nach dem Abitur haben wir ja eine Menge Zeit, Blödsinn zu machen ..., also haben wir uns mal vorgenommen, Hooligans zu sein“) und die „Dritte Herren von Altona 93“, für die der Autor kickt. Darüber, dass Formeseyn mittlerweile auch Aufsichtsrat beim HSV ist, findet sich im Buch dagegen nichts, aber erstens ist er das ja noch nicht lange, und zweitens äußern sich gute Aufsichtsräte in der Öffentlichkeit sowieso nicht über ihre Arbeit.

René Martens

Axel Formeseyn: „Voll die Latte – Acki sein Fußballtagebuch“, Europa-Verlag, Hamburg 2005, 183 Seiten, 12,90 Euro