„Das ist insgesamt eine Riesensache“

Bei der Gewichtheber-WM hob René Hoch 192 Kilo und gewann Bronze. Autogrammwünsche bereiteten dem Berliner größeres Kopfzerbrechen. Der Student sorgt sich weniger um die eigene Person als um das deutsche Gewichtheben

Die Gewichtheberhalle des Berliner Turn- und Sportclub in Prenzlauer Berg bebt unter den Geräuschen des Schwermetalls. Die schweren und nicht ganz so schweren Jungs drehen mit ihren Hanteln voll auf. Das, was da so kracht und durch Mark und Bein geht, sind weniger die Gewichte. Mit dröhnendem Hardrock feuern sich die Athleten bei ihren Übungseinheiten an. Dem Gewichtheber René Hoch, Gewichtsklasse bis 77 Kilo, wird es nebenan dann doch zu laut. Ruhig spricht er kurz mit seinen Clubkollegen, die die Musik sofort leiser drehen.

Der Mann erhält Respekt in seinem Verein, das drückt sich auch in kleinen Gesten aus. Für diese Anerkennung hat Hoch, der als Neunjähriger mit dem Sport begonnen hat, hart gearbeitet. Bei der Gewichtheber-Weltmeisterschaft in Katar Mitte November hat der 27-Jährige im Stoßen einen Überraschungscoup gelandet und mit einer persönlichen Bestleistung Bronze gewonnen. Der deutsche Gewichtheberverband konnte damit die erste internationale Medaille seit zwei Jahren feiern. „Das war eine Supervorstellung und der beste René Hoch, den ich bisher gesehen habe“, sagte Claus Umbach, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber (BVDG). Bundestrainer Frank Mantek befand, das es aufwärts gehe mit dem deutschen Gewichtheben und verwies auch auf die Erfolg versprechenden Nachwuchsathleten. Die Lücke, die Ronny Weller und Co in der deutschen Heber-Szene hinterlassen haben, scheint gefüllt werden zu können.

Als Leitwolf oder gar Star sieht sich René Hoch aber ganz und gar nicht. Autogrammwünschen stand er kurz nach der WM mit Unverständnis gegenüber: „Wenn ein Jugendlicher aus dem eigenen Verein nach einer Unterschrift fragt, überlegt man sich schon, ob er einen nicht verarschen will. Ich habe ja nichts Weltbewegendes getan.“ Bei Anfragen von begeisterten Fans per Post war der Gewichtheber gleich völlig ratlos: „Ich besitze gar keine Autogrammkarten, die sind zu teuer.“ Hoch wollte sich für das Interesse aber erkenntlich zeigen, griff zur Kamera und gestaltete selbst ein Autogramm. „Ich hoffe, das Foto macht den Leuten eine kleine Freude. Das ist für das Gewichtheben insgesamt ja auch eine Riesensache.“

Der Student der Wirtschaftsinformatik sorgt sich weniger um die eigene Person als um seinen Club und das deutsche Gewichtheben als Ganzes. Selbst im Mittelpunkt zu stehen und anderen die verdiente Show zu stehlen gefällt ihm gar nicht: „Ich fand es sehr schade, dass die A-Jugendlichen unseres Vereins bei den deutschen Meisterschaften die ersten drei Plätze geholt haben und es nachher von der Presse hieß: ‚René Hoch muss mit aufs Foto.‘ “ Hoch findet es schade, dass sein Sport in Deutschland eher am Rande existiert. Deprimierende Bundesligawettkämpfe mit nur 20 Zuschauern gehen dem Wettkämpfer Hoch, der pro Woche zwischen 50 und 80 Tonnen stemmt, auf die Nerven. Das Doping-Image des Gewichthebens findet er ungerecht. In publikumsträchtigen Sportarten wie der Leichtathletik würden Dopingfälle „wie die einiger Amerikaner, unter den Teppich gekehrt“. Hoch sieht das Problem pragmatisch, bei manchem internationalen Wettkampf macht er sich so seine Gedanken, aber „wenn sie nicht erwischt werden, dann sind sie sauber“. Der Gewichtheber gibt an, im Durchschnitt fast jeden Monat eine unangekündigte Dopingkontrolle zu haben. „Meiner Meinung nach ist es unmöglich, in Deutschland was zu nehmen.“

Persönlich fühlt er sich trotz der finanziell äußerst dürftigen Ausstattung des Gewichtheber-Standorts Berlin blendend betreut. Durch den Medaillengewinn ist René Hoch wieder Mitglied der Bundeswehr-Sportfördergruppe, die er zwischenzeitlich verlassen musste, weil er nicht in das Bundesleistungszentrum in Leimen wechseln wollte. Bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 erlebte er aufgrund einer Knieverletzung „ein sportliches Desaster“ und landete im Zweikampf aus Reißen und Stoßen nur auf Rang 20. Sein Studium hat er bis zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking zurückgestellt. Dort will er im Wettkampf nochmal angreifen. Genauso wichtig ist ihm aber auch die Begegnung mit anderen Sportlern und die Atmosphäre, denn: „Olympia an sich war natürlich ein Erlebnis als Erlebnis.“

CHRISTIAN ZINGEL