Der „Hurra“-Sender

Früher wollte er al-Dschasira bombardieren, nun bringt George W. Bush seinen eigenen arabischen TV-Sender in Stellung: Al-Hurra hat Erfolg

VON WILFRIED URBE

Propagadasender! So hatten im letzten Jahr die meisten Beobachter den Start von al-Hurra kommentiert. Der arabische Nachrichtenkanal mit Hauptsitz in Springfield, Virginia, nur wenige Meilen von der CIA-Zentrale entfernt, initiiert von der US-Regierung als Gegengewicht zu den (Zitat Donald Rumsfeld) „antiamerikanischen“ Stationen al-Dschasira und al-Arabija, ist mittlerweile erfolgreicher als von seinen Kritikern prognostiziert. Und so kaufen die Manager des Senders zurzeit fleißig Programme ein.

Ganz simple Mission

„Unsere Mission ist ganz simpel – wir wollen seriöse, gut gemachte Nachrichten ausstrahlen, über die arabische Region, die Welt, die USA – für das arabischsprachige Publikum, um Freiheit und Demokratie im Mittleren Osten zu fördern.“ Das sagt Farrel Meisel, Mitgründer von al-Hurra.

Bereits zum Start letztes Jahr hatten die religiösen Führer Saudi-Arabiens eine Fatwa gegen den Sender erlassen: Der müsse boykottiert werden, da er von den Vereinigten Staaten gegründet worden sei, um den Islam zu bekämpfen und die Welt zu amerikanisieren. Auch das Programm, eine Mischung aus Nachrichtensendungen, Magazinbeiträgen zu aktuellen Themen und gekauften Dokumentationen über alle möglichen Themen, stand lange Zeit im Brennpunkt der Kritik, etwa mit Sendungen über westliche Gourmetköche – die beispielsweise im zerstörten Irak wohl kaum auf Verständnis stoßen konnten.

Dennoch: Aktuelle Zahlen lassen die Macher dieser „Voice of America“ im arabischen Gewand frohlocken: AC Nielsen kommt auf eine Zuschauerschaft von rund 21 Millionen Menschen ab 15 Jahre in 22 Ländern des Mittleren Ostens, die regelmäßig erreicht werden. Al-Dschasira kommt zwar auf 35 bis 40 Millionen, aber in einem Umfeld, in dem noch weitere 150 Konkurrenten ihre Inhalte via Satellit anbieten, kann der kritisch beäugte „Propaganda“-Sender erst mal zufrieden sein.

Laut Nielsen befinden zudem 77 Prozent der Zuschauer die vermittelten Informationen mittlerweile für glaubwürdig. Besonders in „Kernmärkten“ wie Ägypten, Jordanien und im Libanon habe sich die Glaubwürdigkeit angeblich innerhalb eines Jahres drastisch gesteigert. Ob damit tatsächlich der Transport „unabhängiger“ Nachrichten gewährleistet oder gar ein positiveres Bild der USA gefördert wird, bleibt fraglich.

Wohlwollende Skepsis

Selbst westlich orientierte Zuschauer, wahrscheinlich die Hauptzielgruppe, haben eine starke Verbindung zu ihrer Herkunft und Tradition. Und sie dürften weiterhin mit einer gewissen Skepsis die Botschaften über die „Freiheit bringenden“ USA aufnehmen, wenn im selben Moment durch militärische Aktionen der Supermacht auch unschuldige Zivilisten getötet werden. Inzwischen wird allerdings der Pluralitätseffekt auch von arabischen Beobachtern positiver gesehen.

„In Arabien gibt es keine Tradition eines unabhängigen Journalismus“, erklärt Medienexperte Jo Groebel, „die hiesigen Sender sind Teil der traditionellen politischen Kultur der Region, zum Teil durch ihre Besitzerstrukturen beeinflusst.“

Propagandagefahr durch al-Hurra sieht er nicht: „Die wäre nur bei einem begrenzten Angebot gegeben, aber das ist nicht der Fall. Die Zuschauer haben die Möglichkeit sich aus verschiedenen Quellen zu informieren. Das ist grundsätzlich gut.“ Für deutsche Fernsehproduzenten hat der Erfolg von al-Hurra jedenfalls positive Seiten. Meisel: „Ungefähr 40 Prozent unserer Programme kaufen wir bei angesehenen internationalen Programmlieferanten ein.“

Und zu diesen zählt er auch die deutsche Vertriebsgesellschaft German United Distributors oder Spiegel TV.

Der Produzent Leopold Hoesch von Broadview TV hat an al-Hurra bereits „Stalingrad“, „Das Wunder von Bern“ und „Dresden“ verkauft: „Für einen Europäer, der auf dem arabische Markt agieren möchte, ist es vorteilhaft, wenn der Vertragspartner letztlich in der westlichen Welt beheimatet ist.“

Gute Geschäftspartner

Produzenten wie Hoesch schätzen beispielsweise, dass die Rechte besser gewahrt würden: Al-Hurra strahlt Programme nur in den Gebieten aus, für die sie auch lizenziert wurden. Arabische Partner würden es damit oft nicht so genau nehmen.

Eine Dokumentation, die etwa für eine Ausstrahlung in Ägypten verkauft wurde, wird oft auch in Marokko oder Jordanien ausgestrahlt, ohne dass der Produzent dafür bezahlt wird.