Russisch-ukrainischer Gaskrieg vor dem Finale

Moskau droht mit Einstellung der Lieferungen. Kiew lehnt sofortige Anhebung der Preise auf Westniveau ab

MOSKAU taz ■ Alle technischen Vorbereitungen sind bereits getroffen, heißt es in der Chefetage des russischen Gaskonzerns Gazprom: Sollte es den ukrainischen Unterhändlern bis zum Jahresende nicht mehr gelingen, einen neuen Vertrag über die russischen Gaslieferungen abzustimmen, wird Gazprom die Lieferungen an das Nachbarland am 1. Januar 2006 einstellen.

Der russisch-ukrainische Gaskrieg nähert sich kurz vor dem Jahreswechsel einem dramatischen Finale. Bislang sieht es jedoch nicht so aus, als könnte in letzter Minute noch ein Kompromiss erreicht werden. Die Vertreter des ukrainischen Energiekonzerns „Naftogas Ukrainy“ seien „völlig unterqualifiziert“ für die Krisenverhandlungen, wetterte Expremierministerin Julia Timoschenko.

Gazprom fordert seit Wochen, die Ukraine müsse Marktpreise für ihre Erdgasimporte zahlen. An der Ernsthaftigkeit der russischen Drohungen besteht kein Zweifel: Im Frühjahr 2004 hatte Gazprom Weißrussland, zuverlässigster politischer Verbündeter Moskaus auf dem Territorium der Ex-UdSSR, vorübergehend die Versorgung abgedreht.

Lange hatte die Ukraine versucht, an dem vor Jahren mit Moskau vereinbarten Preis von 50 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter festzuhalten. Russland nannte zunächst einen „realistischeren“ Preis von 150 bis 160 Dollar. Gleichzeitig hieß es in Moskau, Gazprom sei im Gegenzug bereit, auch deutlich höhere Transitgebühren für die Gaslieferungen über ukrainisches Gebiet nach Westeuropa zu zahlen.

Während die ukrainische Seite diese Forderungen vehement zurückweist, dreht Gazprom immer weiter an der Preisschraube. Inzwischen fordert der russische Staatskonzern mindestens 230 Dollar pro 1.000 Kubikmeter – etwa so viel wie derzeit von den deutschen Abnehmern. Für den Fall, dass die Ukraine keine Mittel habe, um die Lieferungen zu bezahlen, könnte ein Teil der ausstehenden Summe mit Anteilen an ukrainischem Staatseigentum beglichen werden, erklärte Gazprom-Vizevorstandschef Alexander Medwedjew. Insbesondere am ukrainischen Pipeline-Netz sei Gazprom interessiert, ließ Medwedjew in einem Interview durchblicken.

Auch andere Exsowjetrepubliken müssen sich auf eine deutliche Verteuerung der Energielieferungen einstellen. Auch Armenien, Georgien und Moldau sollen ab Neujahr mehr als doppelt so hohe Preise für das russische Erdgas zahlen wie bisher.

In Kiew wird bereits diskutiert, die russische Schwarzmeerflotte vorzeitig von der Krim zu verbannen und Nato-Experten Zugang zu einer strategisch wichtigen russischen Frühwarneinrichtung in den Karpaten zu verschaffen. Wichtiger ist, dass ein Großteil der Gazprom-Lieferungen nach Deutschland und Westeuropa durch Pipelines über ukrainisches Territorium gepumpt wird. Erst nach Fertigstellung der deutsch-russischen Ostseepipeline wird Kiew auch diesen Trumpf verlieren.

KARSTEN PACKEISER

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