: Chinas Zensoren haben nun auch Handys im Visier
PORNOGRAFIE Bei dem Versenden „unanständiger“ SMS-Texte droht eine zweiwöchige Telefonsperre
PEKING taz | Über eine Million Funktionäre, die am Anfang ihrer Karriere stehen, trauten jüngst ihren Augen nicht, als sie auf ihre SMS-Botschaften schauten. Kein geringerer als Vizepräsident Xi Jinping war es, der „freundliche Grüße des Zentralkomitees“ schickte. Per SMS wolle die KP-Führung fortan Kontakt mit den Kadern halten, kündigte er an. „Mobiltelefon-Netzwerk für den Nationalen Parteiaufbau auf unterer Ebene“, heißt das neue Programm.
Aber Nachrichten per SMS zu verschicken, hat auch seine Tücken. Die Regierung hat herausgefunden, dass viel zu viele Chinesen statt patriotische Botschaften schlüpfrige Nachrichten durch die Gegend senden.
Deshalb hat sich Pekings Informationsministerium jetzt etwas ganz Besonderes ausgedacht: Wer „unanständige“ SMS-Texte verschickt, muss damit rechnen, dass sein Handy zwei Wochen lang keine Textmeldungen mehr empfangen kann. Um den Dienst zu entsperren, muss bei der Polizei eine Reue-Erklärung unterschrieben und versprochen werden, nie wieder schmutzige SMS zu senden. Unklar ist derzeit, ob die Regel bereits im ganzen Land oder zunächst in einigen Regionen durchgesetzt wird.
Über 700 Millionen Chinesen besitzen mittlerweile Mobiltelefone, für viele Chinesen sind sie zur Hauptinformationsquelle geworden – und deshalb in den Augen der Staatsschützer besonders gefährlich. Aus Angst, dass sich Regimegegner, Separatisten und andere Unruhestifter per SMS zu Protesten verabreden, durften nach den Unruhen in der westchinesischen Grenzregion Xinjiang im Juli 2009 rund 20 Millionen Bewohner keine Texte von ihren Handys mehr versenden. Erst jüngst hoben die Behörden diese Blockade auf.
Aber auch sogenannte gelbe Botschaften (gemeint sind Obszönitäten und Pornografie) sind den Funktionären ein Dorn im Auge. Wie chinesische Medien jetzt berichteten, haben die Software-Entwickler von China Mobile, eine der größten Mobilfunkfirmen des Landes, in ihre Handyprogramme spezielle Filter eingebaut, die auf „gelbe“ Begriffe reagieren. Die Liste anstößiger Wörter liefert die Polizei.
„Ich will der Regierung ja gehorchen“, schrieb der populäre Schriftsteller und Rennfahrer Han Han in seinem Blog. „Aber sie hat uns keine Anhaltspunkte geliefert.“ Er forderte das KP-Blatt Volkszeitung und die wichtigste Nachrichtensendung im Fernsehen auf, die Liste der anstößigen Begriffe bekanntzugeben – und lieferte gleich Vorschläge mit: TV-Moderatorinnen sollten für Wörter wie „Vagina“ zuständig sein, männliche Sprecher für solche wie „Penis“.
Auch die Südliche Metropolen-Zeitung verwahrte sich gegen den Eingriff der Behörden in die Privatsphäre der Bürger: Niemanden gehe es etwas an, wenn sich Liebespaare oder Freunde scharfe SMS-Botschaften schickten, schrieb Kommentator Zhang Ming: „Wenn das so weitergeht, sind bald alle – vom Zensor über den Polizisten bis zum Stadtinspektor – so sehr damit beschäftigt, uns mundtot zu machen, dass sie zu nichts anderem mehr kommen“. JUTTA LIETSCH
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