„Ohne Ehrenamt könnten wir dicht machen“

Spenden zu sammeln kostet die Mitarbeiter in Sterbehäusern schon jetzt viel zu viel Zeit, sagt Erich Langevon der Landesarbeitsgemeinschaft Hospize NRW. Für zwei Sterbepatienten seien drei Mitarbeiter nötig

taz: Herr Lange, die Hospize in Westfalen-Lippe müssen inzwischen bis zu 30 Prozent ihrer Kosten selbst tragen, etwa durch Spenden. Wieso ist das so problematisch?

Erich Lange: Die Hospize müssen jährlich bis zu 200.000 Euro aufbringen. Das kostet die Mitarbeiter viel Zeit und Energie, die für die schwerstkranken Patienten verloren geht. Es bleibt nur die Möglichkeit, zusätzliches Personal einzustellen. Außerdem nehmen die Spendenbeiträge in wirtschaftlich schlechten Zeiten ab.

Die Krankenkassen fordern von den Hospizen in Westfalen, dass sie wirtschaftlicher arbeiten sollen.

Wir arbeiten bereits wirtschaftlich. Allerdings haben wir aufgrund der Arbeit mit sterbenskranken Menschen einen hohen Personalschlüssel, der auch gesetzlich von den Krankenkassen anerkannt ist. Auf einen Gast kommen anderthalb Kräfte. Diese Kosten müssen auch von den Kassen berücksichtigt werden.

Die Einrichtungen könnten doch durch mehr ehrenamtliche Mitarbeiter Geld sparen.

Wir haben bereits einen sehr hohen Anteil an Ehrenamtlichen. Ohne diese Kräfte könnten wir die Hospize dicht machen. Sie sind sehr engagiert, können aber nicht einfach alle hauptamtlichen Tätigkeiten übernehmen. Wir wissen ja selbst, dass gespart werden muss. Trotzdem kämpfen wir für einen bedarfsgerechten Satz. Aber die Kassen sind einfach nicht bereit, darüber zu verhandeln.

Im Rheinland haben die Hospize weniger Probleme mit den Krankenkassen. Haben sie mehr Verhandlungsgeschick?

Sicher nicht. Im Rheinland gibt es aber schon länger Hospize als in Westfalen. Sie hatten von Anfang an einen höheren Pflegesatz. Die Grundbeiträge sind pro Tag bis zu 20 Euro höher.

Werden Hospize in der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen, oder ist das eine Tabuzone?

Es gibt immer noch Menschen, die von Hospizen noch nie etwas gehört haben. Die Wahrnehmung hängt auch immer von der öffentlichen Aktivität der Dienste ab. Die stationären Hospize haben es leichter als die ambulanten, da sie greifbarer und sichtbarer sind. Nicht die Hospize sind aber das Tabu, sondern das Thema Sterben und Tod. Dem wollen sich viele nicht nähern.

Wird der Bedarf an Hospizen in den nächsten Jahren steigen?

In NRW gibt es derzeit eine gute, flächendeckende Versorgung. Der ambulante und der palliativmedizinische Bereich müssen aber noch ausgebaut werden. Zwar wird es in Zukunft mehr alte Menschen geben. Für die sind die Hospize aber nicht in erster Linie gedacht. Wir wollen keine neue Säule im Gesundheitssystem werden. Sterben muss auch in Einrichtungen wie Altenheimen und Krankenhäusern stärker thematisiert werden. GESA SCHÖLGENS