DIE KLEINE WORTKUNDE

„Die SPD ist wieder die Partei der kleinen Leute“, bescheinigt der DGB-Vorsitzende Michael Sommer der Partei angesichts ihres Wahlprogramms, das einen Mindestlohn und eine Solidarrente vorsieht. CSU-Politiker Hans Michelbach hingegen sprach von einer „Kriegserklärung an die Mittelschicht“.

Die Redewendung „KLEINE LEUTE“ bezeichnet Angehörige der unteren Mittelschicht. „Klein“ (von geringer Größe, nicht erwachsen, unbedeutend) stammt aus dem mittelhochdeutschen „kleine“ (rein, niedlich, hübsch, klug, unansehnlich, schwach), das sich aus dem althochdeutschen „kleini“ (glänzend, glatt, sauber, zierlich, dünn, gering) entwickelt hat. „Leute“ (Bevölkerung, Öffentlichkeit) kommt vom althochdeutschen „liuti“ (Volk, Untergebene) und wurzelt eventuell im indogermanischen „leudh“ (emporwachsen).

„Die kleinen Leute“ sind ein paradoxes Oxymoron: Niedliche Menschenmengen, klein und wachsend zugleich, komplex und dennoch glatt? Es handelt sich um eine universalistische Phrase, die alles einzuschließen versucht.

Und ob Politiker von den „kleinen Leuten“ oder von der „Mittelschicht“ reden, angesprochen fühlen soll sich in beiden Fällen die Mehrheit.

ERIK WENK