Läuft doch

ENERGIE In Berlin kämpft Vattenfall mit Kinderaugen darum, weiter das Stromnetz zu betreiben

Wenn ein Atom- und Kohlekonzern um sein Überleben kämpft, dann müssen dafür natürlich Kinder herhalten. Vattenfall hat derzeit ganz Berlin mit Plakaten vollgepflastert, darauf spielt ein kleiner Junge mit Bauklötzen, Untertitel: „Berlin hat viele Baustellen. Schön, dass wenigstens der Strom problemlos fließt.“

Vattenfall kocht sein ganz eigenes Süppchen auf dem Flughafen-Desaster des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD): Berliner, vertraut uns, wir halten euch wenigstens den Strom am Fließen.

Mehr als 300 Stromanbieter gibt es in Berlin, doch egal, welchen sich ein Haushalt aussucht: Für die Leitungen, für die Anschlüsse ist ein Vattenfall-Tochterunternehmen zuständig, als Netzbetreiber. Das ist unter Garantie ein hochkomplexer Job, aber doch einer, für dessen letztliches Gelingen unvorsichtige Baggerfahrer noch die größte Gefahr sind. Wer Strom erzeugt oder ihn vertreibt, für den sind so völlig unvorhergesehene, epochale Ereignisse wie der Atomausstieg mitunter existenzgefährdend. Für Vattenfall macht sich so ein Stromnetz da gut als solides Standbein.

Doch nun ist die Konzession vakant. Wer von 2015 an das Netz betreiben will, kann sich beim Senat bewerben, die Bundesnetzagentur wacht streng über das vorgeschriebene Vergabeverfahren. Vattenfall will Netzbetreiber bleiben, hat aber Konkurrenz, nicht nur von allen Parteien (außer der CDU), die erklärt haben, dass sie das Netz in öffentlicher Hand sehen wollen. Im Rennen sind auch ein chinesischer Staatskonzern, die aus deutschlandweit 100 Stadtwerken bestehende Thüga-Gruppe und der holländische Kommunalkonzern Alliander, in Berlin bereits zuständig für die Ampeln und, hey, die funktionieren immerhin weitestgehend problemlos!

Nun entscheidet jenes Vergabeverfahren ja eigentlich nicht der Berliner Bürger, dem dieser Tage auf Schritt und Tritt Vattenfalls süßer Plakat-Junge mit seinen Bauklötzen begegnet, sondern der Senat, die Landesregierung. Sicher aber ist: Der Berliner Bürger könnte dem Senat ein bisschen Feuer unter dem Hintern machen. Denn in Berlin läuft ein aussichtsreiches Volksbegehren. 170.000 Unterschriften sind schon zusammengekommen für die Gründung eines grünen, kommunalen Stromversorgers und dafür, das beste Angebot für die Übernahme des Netzes zu machen, mit einem eigens gegründeten Landesunternehmen. Darum die Plakate von Vattenfall: Bürger, spart euch die Unterschrift, haltet die Pfuscher fern – wir regeln das mit dem Netz. SEBASTIAN PUSCHNER