binienbesdo in balermo von WIGLAF DROSTE
:

Das Flugzeug landet in Palermo, der Himmel ist blau, es hat 22 Grad, und das Meer sieht wunderbar aus. „Da will ich rein!“, sage ich – und denke: So sagte Gerhard Schröder es, / Nur meinte er was Blöderes.

Freund und Verleger Klaus Bittermann und ich sind nach Art der Sizilianer gekleidet, wie wir sie aus schönen Filmen kennen: dunkler Anzug, dunkler Mantel, schwarzer Borsalino, gegebenenfalls Sonnenbrille. Schließlich wollen wir nicht auffallen, sondern uns quick bewegen wie geschmeidige, blinkende Fische im Meer des Mafiösen. Wir würden uns einführen als zwei ehrenwerte Männer, Bittermann würde durch vielsagendes Schweigen beeindrucken, ich würde mich um die Wahl der Worte kümmern, meiner Stimme diesen heiser kratzenden Klang geben und sagen: „Mein Vater“ – dabei würde ich ehrfurchtsvoll und Respekt gebietend zugleich auf Klaus Bittermann weisen – „Mein Vater, Don Boreliose, möchte, mit allem Respekt, für seine Familie einen kleinen Anteil am großen Kuchen. Er bietet Ihnen dafür seinen Schutz an“, und so weiter, das Kindergartengewäsch, das kein Mafioso je sprach, bevor Francis Ford Coppolas Film „The Godfather“ in die Kinos der Welt kam.

Dass Don Boreliose nichts sagen würde, hat gute Gründe: Als Franke spricht er nicht nur deutsche Worte lustig aus – ich sage nur „Barkblatz“ –, ihm wird auch in anderen Sprachen alles Harte weich. Der Mann wähnte sich in „Balermo“ und würde als Schutzgeld nicht „Pizzo“ fordern, sondern „Biddso“. Zu den von uns fest einkalkulierten Übernahmeverhandlungen kam es aber erst gar nicht; in Sizilien scheinen klassisch behutete Herren nicht mehr hergestellt zu werden.

Der dritte Mann in unserem kleinen Reiseboot war eher nach sizilianischer Art gekleidet. Im Sakko und mit einer Kappe auf dem Kopfe einem verarmten Landadeligen nicht unähnlich, zeigte uns Vincent Klink, obwohl gleich uns vollendet ortsunkundig, die Schätze Siziliens: Fisch und Meerestiere und Nudeln à la Mamma, und im „Casa del Brodo“, was Haus der Brühe oder Henryk M. Brodo heißt, gab er uns einen Grundkurs in unfallfreier Hummerzangenhandhabung obendrauf.

Abends in die „Focacceria San Francesco“, auf eine lokale Spezialität! In einem großen Kessel broderte, nein brodelte Kalbsmilz in großen Quantitäten. Die Einheimischen nahmen die dampfenden Stücke im Brötchen und mit Parmesan bestreut zu sich und zeigten, was sie als Arbeiter in Deutschland gelernt hatten. „Zwischen Leber und drei Pils / Passt immer noch ’ne Milz!“, riefen sie und hatten gut lachen.

Panierte frittierte Artischocken wurden in uns hineingetan, Ravioli mit Schwertfisch und fettem Pinienpesto – „Binienbesdo“, sagte der Franke beziehungsweise Wrrange Bittermann –, Buccantini mit Sardinen, Fettucine mit Steinpilzen, Garnelenrisotto, gefüllte Kalbsbrust, Spanferkel, Zicklein, zum Nachtisch Kaktusfeigen mit Pistaziencreme – danach half allein noch der mehr torkelbäuchige als inspizierende Rundgang zu Fuß durch die Stadt. Nur klassisch gekleidete honorige Männer fanden wir keine – seitdem der gesichtsoperierte, haarimplantierte Grieneschurke Berlusconi den Laden übernahm, hat auch die Mafia keinen Stil mehr.