Währungsfonds besorgt wegen Europas Wirtschaft

FINANZMÄRKTE IWF: Mit der Rezession in Frankreich kommt die Krise im Kern der Eurozone an

BERLIN taz | Das globale Finanzsystem ist nicht mehr akut in Gefahr, aber überwunden ist die Finanzkrise noch längst nicht. Insbesondere in der Eurozone drohe die Krise chronisch zu werden, warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) am Mittwoch im Vorfeld seiner Frühjahrstagung in Washington. Weiterhin bestehe Sanierungsbedarf bei vielen Banken gerade in den Krisenländern. Die Bemühungen zur Finanzmarktregulierung – einschließlich einer einheitlichen Bankenaufsicht in der Eurozone – müssten verstärkt werden.

Zwar lobt der IWF die Fortschritte vieler Länder beim Abbau von Haushaltsdefiziten, „doch das ist nur ein erster Schritt“. Die Experten des Fonds fordern den konsequenten Abbau hoher Schuldenberge, weil diese das Wirtschaftswachstum behinderten und die Wirtschaft anfällig für künftige Finanzmarktturbulenzen mache. Die Organisation kritisiert, dass ausgerechnet große Industrieländer wie die USA und Japan keinen glaubwürdigen Plan zur Senkung ihrer Schuldenquote hätten. Die Verschuldung der USA liegt inzwischen bei 112 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die von Japan sogar bei 245 Prozent.

Sogar beim IWF selbst ist diese starke Betonung des Schuldenabbaus umstritten. So hieß es unlängst in einem von IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard mitverfassten Papier, der Fonds habe die negativen Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf Wachstum und Beschäftigung unterschätzt. Dies zeigt im Übrigen auch ein Blick auf die wirtschaftliche Lage in Staaten wie Griechenland, wo der IWF als Teil der sogenannten Troika Sparauflagen durchsetzt.

Als bedenklich schätzt der Fonds die Lage in Europa auch ein, weil neben Italien und Spanien nun auch Frankreich vor einer Rezession stehe. Damit hätten die Probleme den Kern der Eurozone erreicht. Obwohl das französische Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 0,1 Prozent schrumpfen dürfte, „könnte dies Fragen aufwerfen hinsichtlich der Fähigkeit der Kernländer, den Randstaaten bei Bedarf zu helfen.“

Aufruf an Deutschland

Lediglich für Deutschland hat der IWF seine Wachstumsprognose sogar leicht erhöht auf nun 0,6 Prozent im laufenden Jahr und 1,5 Prozent 2014 – bleibt damit aber unter dem Frühjahrsgutachten der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, die ein Wachstum von 0,8 Prozent in diesem und 1,9 Prozent im nächsten Jahr erwarten. Jedenfalls bestünden in Deutschland Spielräume, mehr fürs Wachstum zu tun, findet der Fonds.

Der französische Industrieminister Arnaud Montebourg forderte Deutschland umgehend zu stärkeren Lohnerhöhungen auf. Durch die lang anhaltende Niedriglohnpolitik habe sich das Land Wettbewerbsvorteile verschafft und die Handelsungleichgewichte in der Union verschärft.

NICOLA LIEBERT