Wie ein K.-o.-Opfer zum ‚Komasäufer‘ wurde

K.-O.-TROPFEN Den privaten Ermittlungen des Vaters ist es zu verdanken, dass der Verdacht auf K.-o.-Tropfen aufkam – weder die Polizei noch die Ärzte waren dafür sensibilisiert

Vielleicht ein jugendlicher „Komasäufer“, fanden die Ärzte. Ob er Spaß dabei gehabt habe, fragte die Polizei

„So verzweifelt habe ich ihn noch nie erlebt“, das sagte gestern der Vater des jungen Mannes, der am 14. Oktober bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Verzweifelt war er, als er erfuhr, dass in seinem Blut eine erhebliche Menge der Substanz GHB, aus der K.-o.-Tropfen gemacht werden, gefunden worden war. Er sei totenbleich geworden, seit dem Tag verändert und habe das traumatische Ereignis bis heute nicht verarbeitet.

Bemerkenswert war die Aussage des Vaters aus einem anderen Grund. Er schilderte in allen Details, wie er zwei, drei Tage lang aktiv gewesen war, um zu klären, was mit seinem Sohn passiert war. Im Krankenhaus, wo er mit aufgeschwollener Zunge eingeliefert worden war und sofort in ein künstliches Koma versetzt wurde, gingen die Ärzte davon aus, dass es sich um einen allergischen Schock gehandelt haben könnte. Obwohl die Alkohol-Werte im Blut gering gewesen waren. Der Vater ist Kripo-Beamter. Nein, rein privat sei er in jenen Tagen der Frage nachgegangen, was mit seinem Sohn passiert war, reagierte er auf eine Frage der Verteidiger der beiden mutmaßlichen Täter.

Aber das offensichtlich mit dem vollen Sachverstand eines Mordkommissars. Der geschwollene Rachen sei ihm merkwürdig vorgekommen, berichtete er. Dann habe er den Mann, in dessen Wohnung sein Sohn lag, der den Krankenwagen gerufen hatte und der damit möglicherweise das Leben seines Sohnes gerettet hatte, anzurufen versucht. Niemand ging an das Handy, kein Rückruf. Eine SMS – keine Antwort. Schließlich sei er hingefahren, habe geklingelt, sei hereingelassen worden, habe den Wohnungsinhaber – den heutigen Angeklagten Frank S. gefragt, was denn los gewesen sei.

„Komisch“ sei ihm dessen Verhalten vorgekommen, berichtete er gestern, einfach die Körperhaltung bei dem Bericht über jene Nacht. Und dann eine große Adonis-Statue in der Wohnung – was hätte sein Sohn von diesen offenbar homosexuellen Männern gewollt?

Der Vater besuchte danach den Kumpel seines Sohnes, fragte ihn nach jener Nacht. Diese Geschichte klang anders, in Details. Frank S. hatte behauptet, sein Sohn sei sturzbetrunken gewesen. Der Kumpel erklärte: Nein, sicher nicht, zumal der Sohn sei doch morgens mit seiner Freundin verabredet gewesen sei.

Auf dem Weg zurück erinnerte sich der Vater an den Fall einer Frau, der – wenige Wochen zuvor – K.-o.-Tropfen eingeflößt worden waren und die extreme Atemnot und einen sehr stark geschwollenen Rachen hatte. Atemnot, Röcheln, das hatte auch sein Sohn in jener Nacht gehabt. Der Vater fuhr zurück in die Klinik und forderte von den Ärzten, die immer noch keinen Verdacht geschöpft hatten, eine Blutuntersuchung auf K.-o.-Tropfen. Und die ergab eine extrem hohe Dosis. Die Ärzte hatten die Kleidungsstücke in eine Plastiktüte gesteckt und der Mutter gegeben – die gab sie dann an die Kripo weiter.

Irgendwann habe der Sohn einen Anruf von der Kripo bekommen mit der Aufforderung, sein Blut auf HIV untersuchen zu lassen. Besonders sensibel sei das nicht gewesen, lässt der Vater durchblicken. Die Frage „Was haben die mit mir gemacht?“ habe seinen Sohn schon vorher gequält. Zum Glück war das Ergebnis negativ.

Als der Sohn das erste Mal zur polizeilichen Vernehmung gehen konnte, habe der Kommissar zu dem jungen Mann gesagt, ob der eventuell selber Spaß an dem gehabt habe, was da passiert sei. „Peinlich“ sei ihm das gewesen, sagte der Vater vor Gericht, so peinlich, dass er es eigentlich gar nicht erzählen wollte.  KAWE