: Bilder des Zerfalls
Ein Scheidungsanwalt im Scheidungskrieg: Dieter Wedels gründlich misslungener Zweiteiler „Papa und Mama“ (20.15 Uhr, ZDF)
Von Silke Burmester
Dieter Wedel hat hohe Ansprüche. Er möchte „die Sprachlosigkeit in der Ehe“ darstellen, wie es im ZDF-Interview heißt. Die Darstellung gelingt ihm insofern, als dass sein Film so unerträglich ausfällt, wie das Erleben der Sprachlosigkeit. Und wenn der Impuls eines Sprachlosen um seine Haut zu retten, der ist, aus der Beziehung hinauszugehen, so tut der Zuschauer gut daran, den Fernseher auszuschalten. Es ist wie am Ende einer Beziehung: Man versäumt nichts.
Dabei hat Dieter Wedel gute Startbedingungen: Seine Mehrteiler, die er häufig für das ZDF dreht – Quotengaranten zumeist –, haben bewiesen, dass er vielschichtig erzählen kann. Sein gutes Gespür für Darsteller, die es wert sind, ans Licht geholt zu werden, hat er mit Filmen wie „Der große Bellheim“ oder „Der Schattenmann“ unter Beweis gestellt. Doch dieses Mal will Wedel der große Wurf nicht gelingen. Sein Zweiteiler verkommt zur Nabelschau, ohne dass der Nabel das Hinsehen wert wäre.
Der Versuch, die Entfremdung ehemals Liebender zu schildern, das Leid der Kinder, das einer Trennung folgt, ist zwar inhaltlich richtig, doch macht sich Wedel selbst sein Ansinnen kaputt. Die klischeehafte Darstellung des gewissenlosen Scheidungsanwalts Dr. Peter Ulrich (Fritz Karl), der zu seiner völligen Überraschung von seiner Frau Katja (Silke Bodenbender) verlassen wird, hat samt Villa und am Siebenjährigen festgeklebter Föhnwelle so viel Charakter wie ein Eduscho-Werbespot. Und auch das Motiv des kindischen Mittsechzigers, der seine langjährige Ehefrau durch das gleiche Modell in Jung ersetzt, ist mehr als abgenutzt.
Handlung als solche gibt es wenig: Der Anwalt gerät in eine Krise, die seine berufliche Existenz gefährdet, ohne dass seine Persönlichkeit sich auch nur zwei Zentimeter entwickelt. Zwischen ihm und Katja kommt es zum erwarteten Hauen und Stechen um Kinder, Stolz und Geld: „Du Hure!“ Einzig das verlassene Ehefrauenmodell reift zwischen all ihrer Heulerei, würde aber bis zum Schluss ihren Charly zurücknehmen. Dazwischen gibt es Bilder der verwaisten Kinderschaukel, die im Abendwind stumm schwingt, das, von verlassenen Ehefrauen in der Om-Gruppe und dem Anwalt, dem der Schaum aus allen Ritzen der Waschmaschine entgegenquillt. Über alles hat Wedel Nat King Cole gelegt, mit seiner ausgelutschten Musik von der Liebe, als gelte es, Champagnertrüffel zu verkaufen.
Auf Wedels Bildern des Zerfalls legen sich die Töne quer wie Holz im zu engen Flusslauf. Sie behindern, stören und verstärken das Element, das Wedel am wenigsten gelungen ist: das Komödiantische. Da in dem Film nichts lustig ist, soll vor allem der paddelige Referendaranwärter für Schwung sorgen. Also kommt er mit Geschenken beladen nicht durch die Tür.
Dieter Wedel hat für seine „Recherchen“ die Bücher des umstrittenen Männerrechtlers Matthias Matussek gelesen. Jenes Spiegel-Ressortleiters, über den vor sechs Tagen ein Porträt in dieser Zeitung erschien, mit dem Titel „Fast niemand mag ihn“. Wedels Hauptfigur, Dr. Peter Ulrich, sieht nicht nur aus wie Matussek, er bleibt auch bis zuletzt ein glatter, Hosenträger tragender Verlierertyp, den niemand wirklich mag. Ein Karrierist, der die Geburtstagsgeschenke von Angestellten besorgen lässt und cholerisch wird, wenn er verliert, was er zu besitzen meint.
Weil bis zum Schluss ungeklärt bleibt, was jemals an diesem Mann so liebenswert hätte sein mögen, dass seine etwas naive Frau Katja ihn heiratete, verwehrt Wedel dem Zuschauer die Möglichkeit, Anteil an dem Schicksal des Paares zu nehmen. Was bleibt, ist die Möglichkeit, 180 Minuten lang wortreicher Sprachlosigkeit beizuwohnen. Man sollte sie aber lieber nicht nutzen – man versäumt nichts.
Zweiter Teil: Mittwoch, 4. 1., 20.15 Uhr
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