PALÄSTINA: „CHAOS“ SPRICHT NICHT GEGEN WAHLEN
: Ständig neue Ausreden

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat es abgelehnt, die für den 25. Januar angesetzten Parlamentswahlen im Gaza-Streifen und im Westjordanland zu verschieben. Damit hat er sich gegen einen Teil des Zentralkomitees seiner Regierungspartei Fatah durchgesetzt. Und es ist zu hoffen, dass Abbas, der die Wahlen schon zweimal abgesagt hat, derartigem Druck diesmal standhält.

Die längst überfälligen Wahlen – die letzten fanden 1996 statt – sind wichtig für die Demokratisierung der palästinensischen Institutionen. Ein erneuter Aufschub würde dem ohnehin angeschlagenen Ansehen der Autonomiebehörde weiter schaden, auch international. Ein neuer Termin würde auch gegenüber der Islamistenpartei Hamas nichts nützen, die auf dem Urnengang besteht. Im Gegenteil: Jede Verschiebung beschert ihr zusätzliche Stimmen.

Die Fatah-Mitglieder, die die Wahlen absagen möchten, argumentieren unter anderem mit dem „Chaos“, das im Gaza-Streifen herrscht. Chaos? War da nicht was? Richtig: Im Irak, wo das „Chaos“, sprich: die Gewalt ungleich brutaler ist als im Gaza-Streifen, haben letztes Jahr unter der US-geführten Besatzung gleich zwei Parlamentswahlen und ein Verfassungsreferendum stattgefunden. Verbunden damit war die Hoffnung auf eine Einbindung aller wichtigen Parteien und Strömungen in den politischen Prozess. Warum soll das für die palästinensischen Gebiete nicht gelten?

Man muss kein Anhänger von Hamas sein, um gute Gründe für die Abhaltung der Wahlen zu haben. Die erstmalige Teilnahme der Islamisten, die einer Umfrage zufolge auf 25 Prozent der Stimmen rechnen dürfen, kann schwerlich als Gegenargument dienen. Schließlich war es im Irak von Anfang an klar, dass die religiös-schiitische Allianz die Wahlen gewinnen wird, und man wird US-Präsident Bush schwerlich als deren Anhänger bezeichnen können. Am vergangenen Wochenende nannte er den Irak die einzige Demokratie in der arabischen Welt. Um mit Bush zu reden: Was spricht dagegen, wenn es Ende Januar eine weitere gäbe? BEATE SEEL