Urananreicherung im Angebot

PRIVATISIERUNG Die Uranfirma Urenco soll verkauft werden. Kritiker warnen vor der Weitergabe von Atombombentechnologie. Zudem fürchten sie, dass der Steuerzahler für den Nuklearmüll blechen muss

BOCHUM taz | Die von der Finanz- und Wirtschaftskrise gebeutelte britische Regierung will ihre Anteile an dem Urananreicherungsunternehmen Urenco möglichst schnell zu Geld machen. Schatzkanzler George Osborne hoffe auf einen Kaufpreis von rund 3,5 Milliarden Euro, berichtete die Financial Times am Montag. Die Uranfirma loswerden wollen auch die deutschen Stromkonzerne RWE und Eon und die niederländische Regierung: Eon-Chef Johannes Teyssen hatte bereits Anfang März bekräftigt, Urenco solle 2014 abgestoßen werden.

Lieferant für Fukushima

Aktuell halten die deutsche, die britische und die niederländische Seite jeweils ein Drittel an der Firma, die hunderte Atomkraftwerke weltweit mit Brennstoff versorgt – unter anderem belieferte sie auch das japanische Katastrophen-AKW Fukushima. Auch Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau wird von Urenco betrieben. Der Wert der Firma ist unklar: Schätzungen reichen von 2,5 bis 10 Milliarden Euro. Als Kaufinteressent gilt etwa der kanadische Pensionsfonds CPPIB.

Atomkraftgegner halten die Privatisierung der Urananreicherung für extrem brisant. Für einen „möglichst hohen Kaufpreis“ könne die britische Regierung zu „weitgehenden Zugeständnissen“ bereit sein, fürchtet etwa Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. Bei einem Verkauf könnte die Bundesregierung „ihr Vetorecht verlieren“, glaubt Eickhoff. Bislang muss Berlin bei Änderungen der Anteilseignerstruktur beteiligt werden, weil Urenco einst im Rahmen eines Staatsvertrages gegründet wurde. Noch im Januar versicherte das Kabinett auf Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei, man werde einem Verkauf nur zustimmen, wenn „nukleare Nichtverbreitung, Sicherung der Technologie und wirtschaftliche Solidität bei Urenco sichergestellt sind“.

Interessant für Iran

Denn die Urananreicherung ist auch für den Atombombenbau relevant: Der Iran versucht seit Jahren, in den Besitz der Technologie zu gelangen. Der Begründer des pakistanischen Atomprogramms, Abdul Khadir Khan, soll sein Wissen in den Siebzigern in den niederländischen Urenco-Anlagen erworben haben.

Unsicher ist auch, was aus Urencos Atommüll wird. Allein in Gronau lagern rund 6.700 Tonnen hochgiftiges Uranhexafluorid unter freiem Himmel. Antiatomkraftinitiativen weisen immer wieder auf Gefahren etwa durch einen Flugzeugabsturz hin. „Es ist ein Skandal, dass unklar ist, wer für den Atommüll haftet“, sagt Udo Buchholz, Vorstand im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Bisher beruft sich auch die rot-grüne NRW-Landesregierung auf eine „Patronatserklärung“ von RWE und Eon. Allerdings versprechen die Konzerne darin nur, sich für ausreichende Rückstellungen „einsetzen“ zu wollen. „Am Ende haftet der Steuerzahler“, warnt deshalb Hanns-Jörg Rohwedder, Umweltexperte der Piraten im Düsseldorfer Landtag.

ANDREAS WYPUTTA