Designlabor im afrikanischen Armutsviertel

Der Industrie-Designer Frank Hofmann fährt nach Kenia, um in einem Slum auf ungewöhnliche Art Entwicklungshilfe zu leisten. Aus Müll will er zusammen mit einem Partner Gebrauchsgegenstände für die Bewohner entwickeln. Das Projekt wird von der Kunsthochschule Weißensee betreut

Jetzt bekommen auch Slums in Afrika schicke Lavalampen und coole Zitruspressen – das zumindest könnte man denken, wenn man das erste Mal von Frank Hofmanns Projekt hört. Der Industrie-Designer will mit seinem schwedischen Partner Staffan Weigel nach Kenia, in einen Slum – unter dem Motto „Design for Africa“ will er die Bewohner dort mit den Vorzügen von Design beglücken. Was ganz praktisch gemeint ist.

Erst einmal klingt es aber wie Hohn, weil viele Menschen sich ganz bestimmte Dinge unter Design vorstellen. „Die Leute denken nur an schicke Verpackungen. Oder dass Designer nur designen, damit sich etwas besser verkauft“, sagt Hofmann. Aber für ihn bedeutet Design „mehr als Styling und Luxus“, nämlich: „ein kreativer Arbeitsprozess, um Probleme zu lösen“. Es ist klar, dass im Slum die Probleme nicht klein sind. Erst recht nicht in Kibera, dem vermutlich größten Armutsviertel Ostafrikas.

„Design ist überall“

Hierhin möchten Hofmann und Weigel in wenigen Tagen reisen, auf dem Landweg, mit einem Landrover. Am 20. Januar starten sie in Schweden, Ende März wollen sie in Kibera sein. Befestigte Straßen gibt es dort nicht. „In der Regenzeit verwandeln sich die Straßen in ein Gemisch aus Müll, Kloake und Erde“, sagt Hofmann.

Er war selbst noch nie in Afrika, „außer einmal in Ägypten im Urlaub“. Aber er hat sich informiert über Kibera: 800.000 Menschen leben dort, auf einer Fläche nur doppelt so groß wie der Tiergarten. Eine richtige Kanalisation existiert nicht, nur ein Fluss. Ein weiteres, nicht zu übersehendes Problem ist der Müll.

„Trash is Cash“, Müll ist Geld, so heißt deshalb ein Programm von „Carolina for Kibera“. Diese wohltätige Organisation aus den USA versucht seit 2001, Hilfe zur Selbsthilfe in Kibera zu leisten. Hofmann und Weigel teilen dieses Ziel. Deshalb nahmen sie Kontakt auf mit „Carolina for Kibera“. Sie möchten den Bewohnern helfen, aus Müll Geld zu machen. Recycling heißt das Zauberwort.

Fragt man Hofmann nach konkreten Beispielen für dieses Recycling, fällt ihm kaum was ein. Was zum Konzept gehört – denn er will nicht mit fertigen Ideen nach Kibera, sondern will vor Ort auf die Bedürfnisse der Slum-Bewohner eingehen. Er vermutet aber, dass er sich viel mit Haus- und Möbelbau beschäftigen wird. Und mit praktischen Gegenständen, die man für sich selbst baut oder verkaufen kann, an andere Slum-Bewohner oder an Bewohner des nahen Nairobi.

Ein konkretes Beispiel fällt ihm dann doch ein: Aus Plastikresten und einem alten Kabel kann man eine neue Tasche produzieren. Was sich fast schon wieder ein bisschen zu cool anhört. Schließlich laufen auch in Berlin-Mitte hippe Leute mit Taschen rum, die aus Tetra-Paks genäht sind. Aber die Kibera-Taschen würden nicht so modisch aussehen, glaubt Hofmann: „Sie hätten eher einen alternativen Touch. In Deutschland käme das nicht so gut an.“

Improvisieren ist alles

Auch die Auswahl an Materialien ist im Slum nicht so groß wie in Europa. Man muss das nehmen, was da ist – Improvisation heißt das zweite Zauberwort. Aber das Ziel sei ja, dass die Produkte in Kenia selbst verkauft werden und dadurch Geld nach Kibera zurückfließt. Hofmann will dabei nicht als Oberlehrer auftreten: „Die Bewohner von Kibera müssen ihre Probleme selbst erkennen. Wir möchten ihnen nur zeigen, welches kreative Potenzial sie haben, damit sie ihre Probleme auf eigene Faust lösen.“

„Design ist kein Privileg der so genannten Ersten Welt“, sagt Hofmann. Schließlich sei jeder Gegenstand gestaltet. Ein Designer kann deshalb überall auf der Welt arbeiten und sich nützlich machen, findet er. Und erzählt von den Zahnbürsten in Kibera: Sie bestehen aus einem Stück Holz vom Akazienbaum. Die Enden von dem Stück Holz sind aufgefasert. Ein befreundeter Designer hat mal mit den Bewohnern Kiberas für diese Zahnbürsten Verpackungen aus Karton gebastelt und bedruckt. Mit einfachsten Mitteln. Die verpackten Zahnbürsten wurden als Souvenirs an Touristen verkauft. Also doch: Design, um ein Produkt aufzuwerten – und es besser verkaufen zu können. Aber in Berlin würde niemand an Zahnbürsten aus zerfasertem Holz denken.

Hofmann und Weigel wollen die Reise dokumentieren – mit all den Produkten, die entstehen. Mit dem Projekt will Hofmann auch seinen Meisterschüler machen. Das ist eine Zusatzqualifikation an der Kunsthochschule in Weißensee, wo er studierte. Andere Studenten machen den Meisterschüler, indem sie eine praktische Ablage fürs Badezimmer erfinden. Oder nützliche Küchenutensilien. Jedenfalls steht am Ende meist ein einzelnes, ausgefeiltes Produkt. Ein Absolvent, der stattdessen Entwicklungshilfe in Afrika leistet und anderen beibringen will, Alltagsgegenstände zu entwickeln – das ist selten.

Hofmann bekommt dafür Unterstützung: Seine Kunsthochschule hat auf ihrer Internet-Seite einen Link gesetzt zu „Design for Africa“. Ein Professor der Schule betreut das Projekt. Eine Art von Hilfe fehlt den beiden aber noch: Sie suchen dringend Sponsoren. GIUSEPPE PITRONACI

www.designforafrica.com