: Electro-Import aus Rumänien
Der Zustrom von Musikern nach Berlin reißt nicht ab. Besonders in der elektronischen Musik ist die Konzentration an Produzenten mittlerweile so hoch, dass man sich fragt, ob die Szenen andernorts langsam ausbluten. In einer Stadt wie London dürfte es nicht übermäßig auffallen, sollten ein paar Dubstep-Größen ihren Wohnsitz von der Insel hierherverlegen. Doch wenn Cosmin TRG, der bekannteste Electromusiker Rumäniens, plötzlich nicht mehr in Bukarest wohnt, könnte sich das in der Stadt schon bemerkbar machen.
Die Auswirkungen der hiesigen Electro-Akkumulation auf die regionalen Szenen sollte man daher im Auge behalten. Im Fall von Cosmin Nicolae alias Cosmin TRG ist die Frage, wo er wohnt, für seine Musik hingegen weniger entscheidend, denn er hat einen Sound geschaffen, der zwar an verschiedenen Genres andockt – in erster Linie Dubstep und Techno –, sich diese aber auf sehr eigene Weise aneignet.
In Berlin, wo er inzwischen lebt, ist auch sein Label 50Weapons ansässig. Unter dieser Adresse, zunächst als Nebenarm des Modeselektor-Labels Monkeytown Records gegründet, haben sich über die Jahre illustre Namen aus dem erweiterten Spektrum der Bassmusik wie Shed oder Addison Groove versammelt. Mit „Gordian“ hat Cosmin TRG jetzt sein zweites Album dort veröffentlicht.
Dass es Nicolae dabei nicht einfach um Tanzmusik geht, macht schon der Titel deutlich. Gordios, im Englischen Gordian genannt, war als Mythengestalt unter anderem für die Erfindung des sprichwörtlich gewordenen Gordischen Knoten zuständig. Mit dieser Figur will Nicolae auf die nicht nur in der elektronischen Musik allgegenwärtige Schwierigkeit anspielen, Authentisches von Künstlichem oder Original von Kopie zu unterscheiden.
Die behauptete Unauflösbarkeit dieser Verknotung macht im Grunde jegliche Bemühung um Auflösung oder Eindeutigkeit hinfällig. Das gilt auch für Cosmin TRGs Musik. Man mag darin Einzelheiten wiedererkennen, die man so oder ähnlich schon einmal gehört hat. Allerdings lässt Nicolae diese Elemente stets in Konstellationen auftauchen, die voll und ganz seine eigenen sind. Ob er einen geraden Beat verwendet, Stolpersteine in seine Rhythmen produziert, Ansätze von Melodien darüberlegt oder sich auf geschichtete Flächen aus Geräusch-Akkorden mit insistierendem Bass-Fundament beschränkt: Stets hat man das Gefühl, einer Geschichte zu lauschen, die man so bisher nicht erzählt bekommen hat.
TIM CASPAR BOEHME
■ Cosmin TRG: „Gordian“ (50Weapons)