„Handfeste Probleme“

Gartenschau-Auftakt und Gagfah-Schikane: zweierlei Protestaktion in Wilhelmsburg

■  30, Politikwissenschaftler und Mitglied der AG Wohnen sowie des Arbeitskreises Umstrukturierung Wilhelmsburg.

taz: Herr Rinn, was tun Sie heute Nachmittag?

Moritz Rinn: Die AG Wohnen Wilhelmsburg wird gemeinsam mit Mietern zur Eröffnung der Internationalen Gartenschau (IGS) Protestpostkarten verteilen. Wir wollen mit Gästen und Touristen ins Gespräch kommen und so auf die Mietsituation in den Häusern der Wohnungsgesellschaft Gagfah aufmerksam machen. Es gibt handfeste Probleme, die die Stadt links liegen lässt.

Nämlich?

Die Gagfah lässt Häuser verrotten. Fassaden und Fenster sind undicht, Fahrstühle und Heizungen fallen regelmäßig aus und die Mieter werden respektlos behandelt.

Inwiefern?

Wenn sie zum Beispiel Mängelanzeigen machen oder sich beschweren, flattern ganz schnell Kündigungsdrohungen ins Haus. Die Schuld wird immer auf die Mieter abgeschoben.

Welche Menschen sind davon besonders betroffen?

Ganz unterschiedliche. Natürlich viele ärmere, Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen und solche, die aufgrund der Arbeitsmigration hergekommen sind. Aber natürlich nicht die neue Mittelschicht, junge Familien und „High Potentials“, die die Wachsende-Stadt-Politik für Wilhelmsburg gern hätte.

Was fordert die AG Wohnen?

Dass beispielsweise das Wohnraumschutzgesetz mehr Anwendung findet: Damit macht man den Vermietern mehr Druck, die Wohnungen zu erhalten. Instandsetzungsgebote der Stadt sind wichtig. Aber Stadt und Bezirk tun einfach nichts.

Die Prioritäten der Stadt sind andere?

Das Perspektivprojekt Korallusviertel liegt seit Jahren auf Eis: In dem Areal um den Wilhelmsburger Bahnhof sollten eigentlich günstige Sozialwohnungen entstehen. Die Gagfah profitiert im Grunde davon, dass die bereits laufende Internationale Bauausstellung (IBA) nur sehr wenige und keine günstigen Wohnungen fertiggestellt hat. Nun gibt es keine Alternativen.

Welche Effekte haben IBA und IGS?

Der Verdrängungseffekt ist logische Folge. Gerade im Reiherstiegviertel fanden viele Subventionsprojekte der IBA statt. Damit wurde Wohnraum immens teuer. Dann kam es zu Wanderungsbewegungen innerhalb Wilhelmsburgs – weil sich die Menschen die Mieten nicht mehr leisten konnten.  INTERVIEW: JMK

Postkartenaktion: 12.30 Uhr; Kundgebung „Niemand hat die Absicht, einen Zaun zu öffnen“: 15 Uhr, IGS-Gelände, Wilhelmsburg