Rad fahren ist illegal

ABSURDISTAN Wie der Herrscher von Usbekistan in der Hauptstadt gegen marodierende Drahtesel vorgeht

Selbst die usbekische Stasi kann nicht ernsthaft Terroristen auf Fahrrädern fürchten

Von einer anständigen Diktatur sollte man eigentlich immer alles erwarten. Usbekistan macht da keine Ausnahme. Da wurde kurzzeitig im letzten Jahr der Weihnachtsmann verboten. Der Bartausch von US-Dollarnoten ist in dem Land an der afghanischen Grenze seit Frühjahr untersagt.

Die älteste Diktatorentochter Gulnara Karimowa nimmt derweil zusammen mit dem französischen Schauspieler Gérard Depardieu selbst geschriebene Lieder auf und postet Bilder von sich bei Twitter, auf denen sie halbnackt somnambul durch eine Pfauenfeder schaut.

So weit, so despotisch.

Seit Mitte April geht es nun gegen die Fahrradfahrer.

Seitdem nämlich wird die Fortbewegung auf dem Drahtesel durch die usbekische Hauptstadt Taschkent als Straftat gehandelt. Entdecken sie einen, zerren Polizisten Radfahrer vom Sattel und beschlagnahmen sein Gefährt. Fahrradhändlern und -verleihen in den Außenbezirken der Stadt drohen Razzien. Und da es für Räder keinen Fahrzeugbrief gibt, ist es schwierig für den Besitzer, bei einer späteren Rückgabe zu beweisen, dass das zuvor von der Staatsmacht entzogene Zweirad auch tatsächlich ihm gehört.

Was die Macht in dem Land an der afghanischen Grenze zu dem Erlass getrieben hat, bleibt ein Rätsel. Doch es ist nicht das erste Fahrzeugverbot: Bereits 2004 wurde das Motorradfahrern in Taschkent untersagt. Aber dafür gab es wenigstens noch eine Erklärung: Usbekistans Präsident Islom Karimow nämlich schaut viel russisches Fernsehen – es gab Zeiten, da verging kaum eine Pressekonferenz, in der er nicht Bezug auf eine gerade gesehene Sendung nahm. Und ihn schreckten offenbar, so zumindest die überzeugende Theorie von Beobachtern, russische Actionfilme, in denen schwarz gekleidete Motorradfahrer Straßensperren überspringen und dabei wüst um sich schießen.

Eine solche Überraschung wollte der usbekische Herrscher nicht erleben, wenn er in der Staatskarosse auf abgeriegelten Straßen durch Taschkent braust. Daher war für die motorbetriebenen Biker schon mal Schluss in Taschkent. Doch selbst die an Fantasie nicht arme usbekische Stasi wird wohl kaum ernsthaft einen todbringenden Terroristen auf einem Fahrrad fürchten.

Daher zählt das Fahrradverbot wohl zur Kategorie Verbote aus reiner Schikane.

Karimow kann es sich leisten. Er hat dicke Freunde: Die Nato und Deutschland brauchen sein Reich für den beginnenden Rückzug aus Afghanistan – und der wird kaum auf Fahrradgepäckträger vor sich gehen. Und auch von den Radfahrern hat der usbekische Herrscher keine großen Proteste zu befürchten. Denn dafür sind es einfach zu wenige. Denn anders als in China ist das Radfahren in Zentralasien nicht sonderlich populär.

MARCUS BENSMANN