Putins Volksdialog

RUSSLAND Präsident beantwortet Bürgerfragen im Fernsehen. Heikles wird ganz schnell abgehakt

MOSKAU taz | Wladimir Putin ist in bester Verfassung. Mehrere Stunden stand er am Donnerstag im „Dialog mit dem Volk“. Das Gespräch im Fernsehen mit handverlesenen Bürgern im ganzen Land findet seit 2001 einmal jährlich statt und gehört zum Ritual inszenierter Bürgernähe.

Neu in diesem Jahr ist der Zeitpunkt. Die Veranstaltung wurde auf Wunsch des Kremlchefs vom Winter in den Frühling verlegt, damit der Dialogpartner nicht mehr in klirrender Kälte stehen müsse. Der Präsident präsentierte sich vor allem als Anwalt von Rentnern, Arbeitern und Staatsangestellten. Deren soziale Belange beherrschten denn auch die fünfstündige Veranstaltung. Im Vergleich zu den Vorjahren fiel auf, dass noch weniger Intellektuelle und Künstler im Publikum saßen.

Putin war jedoch in seinem Element. Die antidemokratischen Gesetzesverschärfungen seit 2012 wurden kurz erwähnt und abgehakt. Auf die Frage des Moderators, ob die strafrechtliche Verfolgung des Oppositionellen Alexej Nawalny wegen angeblicher Veruntreuung bedeute, dass die Machthaber Angst vor ihm hätten, sagte Putin: „Leute, die gegen Korruption kämpfen, müssen selbst eine weiße Weste haben.“ Die Vorselektion der Bürger war noch gründlicher als früher. Es scheint, als hätte sich Putin damit abgefunden, nur noch Präsident eines Teils des Volkes zu sein. khd