Ohne Glanz

Der FC Arsenal und Manchester United verlieren wiederum wichtige Punkte auf den führenden FC Chelsea

LONDON taz ■ Gegen Ende der ersten Halbzeit landete ein verunglückter Abschlag von Jens Lehmann genau auf dem Fuß von Ryan Giggs. Manchester Uniteds Flügelspieler hielt aus 30 Metern drauf, fast ebenso weit vom Kasten entfernt rollte der Ball ins Aus. Giggs schaute peinlich berührt zu seinem Gegenspieler Robert Pires. Der Franzose lächelte mitfühlend. So ging es zu, am Dienstagabend im Highbury.

0:0 hieß es am Ende eines interessanten, aber nie hochklassigen Verfolgerduells, dem angesichts Chelseas absoluter Dominanz in der Liga Glanz und Relevanz fehlten. Ohne die personifizierten Brennpunkte Patrick Vieira und Roy Keane war nicht einmal ein wenig gute, alte Brutalität im Spiel. Alex Ferguson, das hatte man noch nie gesehen, verabschiedete Arsène Wenger nach Schlusspfiff sogar mit einem netten Schulterklopfen. „Zwei Glatzköpfe, die um einen Kamm zanken“, wollte ein Schreiber von der Times gesehen haben. Das Bild ist etwas schief, weil beide Trainer im Gegensatz zu dem werten Kollegen noch volles Haupthaar aufweisen, aber ein Blick auf die Tabelle zeigt, was gemeint ist. United ist mit 13 Punkten Rückstand auf den alten und zukünftigen Meister aus Westlondon Zweiter, Arsenal liegt elf Punkte dahinter nur auf dem fünften Platz.

Ausgerechnet die letzte Saison im Highbury droht Wengers schlechteste in London zu werden. Der Franzose ist mit den Gunners in acht Jahren immer mindestens Zweiter geworden, im Moment darf er froh sein, wenn er es überhaupt in die Champions-League-Qualifikation schafft. Wenger und Ferguson mussten sich vorwiegend zu Chelsea befragen lassen. Beide kapitulierten. „Niemand kann es mit ihrer fantastischen Konstanz aufnehmen“, sagte der Schotte; Chelsea sei „reifer“ und auf einem anderen Niveau als seine Mannschaft, gab der Franzose zu. Die Erzrivalen machen sich jedoch etwas vor, wenn sie ihren Abstieg als relativ einschätzen.

Die Probleme beider Mannschaften sind hausgemacht, Chelseas Überlegenheit akzentuiert sie nur. Besonders im defensiven Mittelfeld sind die Teams durchschnittlich besetzt. Fábregas und Gilberto gegen O’Shea und Fletcher – das war ein Kampf der fußballerischen Leichtgewichte, zweier englischer Spitzenmannschaften unwürdig. Der doppelt abgesicherte Alexander Hleb machte zwar seine bisher beste Partie auf der Insel, doch auch er zeigte letztlich jenes Arsenal-typische Spiel, das der Times-Kolumnist Hugh McIlvanney einst als „Eunuchenfußball“ verhöhnte: ein bisschen Rumgefummel, null Penetration.

Die Impotenz im Strafraum ist eine Konstante dieser Saison. Dass der chronisch lustlose Henry seit kurzem als einzige Spitze spielen muss, macht es nicht besser. Wenger zog es vor, den Spielplan für den Mangel an klaren Chancen verantwortlich zu machen. „Nach vier Spielen in acht Tagen fehlte der zündende Funke in der Offensive“, sagte er, ansonsten hofft er auf die Zukunft. „Es kann sein, dass uns im Moment die Skrupellosigkeit und der Glaube fehlen. Aber die Mannschaft ist auf einem gutem Weg. Fábregas ist in fünf Jahren 23 – das ist immer noch jung.“

Ob es wirklich so lange dauern wird, bis man ernsthaft mit Chelsea mithalten kann, wollte Wenger nicht sagen: „Wir müssen erst einmal durch diese Saison.“ Wie schwer das ohne den zu Juve abgewanderten Vieira wird, hatte der ehemalige Kapitän vor dem Match schonungslos offen gelegt. „Sie leiden in psychologischer Hinsicht, seit ich gegangen bin“, verriet der Franzose. Wenger konnte das nicht abstreiten. „Unserer Trauerprozess hat lange gedauert, aber ich denke, dass wir uns nun erholt haben.“ Sicher schien er sich nicht zu sein.

United hat nach dem Punktgewinn immerhin das Minimalziel der direkten Champions-League-Qualifikation fest im Visier. Am Dienstag spekulierten sie wie beim 4:2-Auswärtssieg in der vergangenen Saison auf Konter und erspielten die klareren Chancen. Lehmann hielt einmal famos gegen Ruud van Nistelrooy; zwei andere gute Gelegenheiten vergab der Angreifer überhastet. Die Buhrufe gegen den in London verhassten Holländer klangen am Ende halbherzig. So war es, am Dienstag im Highbury. RAPHAEL HONIGSTEIN